Glas-Industrie kann Oesterreich bezüglich der Gasfeuerung Prioritätsansprüche erheben. Schon vor Aus­bildung der Gasfeuerungssysteme in anderen Ländern soll zuerst auf böhmischen Hütten, die Braun­kohle verwendeten die Gasheizung mit vom Schmelzofen getrennten Gaserzeuger (Generator), wenigstens während der Arbeit, im Gebrauche gewesen sein. Die erste Anlage zur Anwendung der Gasheizung für den Schmelz- und Arbeitsprocess wurde auf der Glashütte der Gebrüder Klein zu Tscheitsch (bei Göding) in Mähren errichtet. Das System war eine Erfindung des Leiters der Hütte, Franz Poduschka, der bereits am 25. November 1852 ein diesbezügliches Patent erhielt und im Jahre 1856 um ein neues, «auf die Entdeckung, aus ungetrockneter Braunkohle und ungetrocknetem Torfe brennbare Gase zu erzeugen, mit denen man Glas schmelzen, Eisen puddeln und schweissen und jeden ähnlichen derartigen Process ausführen kann», einschritt. Allerdings war diese Anlage noch unvollkommen, da ihre Wirksamkeit in Folge der Complicirtheit der Apparate und der zu starken Theerabsonderung beeinträchtigt wurde. In Deutschland war Fickentscher zu 1 Zwickau der Erste, der auf abgesonderten Generatoren erzeugtes Braunkohlengas zur Heizung des Glasofens benützte. Durch Chance, Bellford, Schinz und White, welchen sich noch der österreichische Erfinder Venini zu Tione (Ital.-Tirol) anschliesst, wurden die Gasfeuerungs­systeme vervollkommt, doch erst durch das Regenerativsystem von Friedrich Siemens, dessen Patent aus dem Jahre 1856 stammt, wurde das Heizungsproblem in glücklichster Weise gelöst, und hiermit für die moderne Glas-Industrie der Grund gelegt.

Auch an Siemens Idee ist österreichischer Einfluss nicht unbetheiligt, denn er soll die Anregung zu derselben von einem Wiener Gelbgiesser, namens Carl Lorenz, erhalten haben, der im Aufträge des bekannten späteren Generals Uchatius zu London in den Fünfzigerjahren dessen Stahlgussverfahren bekanntmachen sollte, und dem Siemens bei seinen Versuchen assistirte. Der erste Ofen nach dem Siemens-System in Oesterreich wurde als Demonstrationsobject von der Firma Wagenmann', Seybel & Co. in Liesing errichtet und diente zum Schmelzen von Wasserglas. Für die Glasfabrication selbst wurde die erste Anlage nach diesem System auf der Glasfabrik Gaya (in Mähren) der Firma S. Reich & Co. im Jahre 1859 errichtet; allerdings entsprach derselbe den Erwartungen nicht vollständig und functionirte viele Jahre nicht zufriedenstellend. In Böhmen wurde das System Siemens erst in den Sechzigerjahren zur Anwendung gebracht, und zwar nach einem nicht geglückten Versuche der Firma Welz in Kloster­grab, der in das Jahr 1868 fiel, im folgenden Jahre von der Firma Jos. Riedel. Für Tafelglas soll Anton v. Stark die Regenerativ-Gasfeuerung schon früher angewandt haben. Wirkliche Verbreitung gewann die Regenerativ-Heizung von Siemens in Oesterreich erst in den Siebzigerjahren und sie hat seitdem die directe Feuerung auf den meisten Hütten verdrängt.

Siemens geniale Idee besteht darin, dass die Abhitze seiner Flammengase neuerdings dem Ver- brennungsprocesse dienstbar gemacht wird, indem er sie durch Kammern aus feuerfesten Ziegeln, die sogenannten Regenerativ-Kammern leitet, welche gleichzeitig zur Vorhitzung der Luft dienen, die zur Verbrennung der Gase in den Ofen geleitet wird. Durch dieses ingeniöse System wurde der Brenn­materialbedarf um 3o bis 40 °/ 00 des bisherigen Verbrauches herabgedrückt und die Glas-Industrie auf eine neue Grundlage gestellt.

Ein weiterer Fortschritt bestand dann darin, dass für Glassorten, bei welchen es auf keine tadel­lose Reinheit der Farbe ankommt, die Glashafen, die im Ofen als Schmelzgefässe des Glases sich be­finden und wegen ihrer leichten Zerstörbarkeit ein Schmerzenskind der Glasfabrication sind, entbehrlich gemacht wurden, indem man die Sohle des Glasofens unmittelbar als Schmelzraum benützt. Glasfabrikant Dancel in Lyon, nach ihm Chance, haben zuerst dieses System in Anwendung gebracht, doch auch hier war es wieder Siemens, der dasselbe seiner Vollendung zuführte. Siemens selbst hatte sich früher mit der Idee einer continuirlichen Arbeit am Glasofen befasst, während bisher die Arbeitsperiode stets durch eine dazwischenliegende 1218 ständige Schmelzperiode abgelöst wurde. Er hatte zu diesem Zwecke einen dreitheiligen Hafen construirt, in welchem gleichzeitig geschmolzen, geläutert und gearbeitet wurde, so dass der Arbeitsprocess keine Unterbrechung erfuhr; nun combinirte er seine Idee mit dem durch Dancel und Chance eingeführten Systeme und schuf die continuirliche Wanne, bei welcher der ganze Ofen in einen Schmelz-, Läuterungs- und Arbeitsraum zerfällt, und welche continuirliche Arbeit mit sich ablösenden Arbeiterschichten gestattet. Hiedurch wurde erst die Massenproduction in vielen Artikeln

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