Mit den Fortschritten der Chemie wurde die Soda dann als kohlensaures Natron von der Wald­asche, dem kohlensauren Kali, vollständig geschieden; beide Materialien erfuhren eine selbstständige industrielle Ausgestaltung. Für die Soda war die Entdeckung Leblancs vom Jahre 1791 entscheidend, dass sich aus Kochsalz Soda in unbegrenztem Maasse gewinnen lässt. Diese Entdeckung erfuhr die weiteste Verbreitung in England, wo Muspratt den Anfang mit ihrer Ausnützung gemacht hatte; seither beherrschte die englische Soda den österreichischen Markt. Erst im Jahre 1851 wurde die erste öster­reichische Sodafabrik in Hruschau durch Miller und Hochstetter gegründet, welche die österreichische Glas-Industrie mit einheimischem Material versorgte. Durch Solvay wurde dann das Ammoniaksoda- Verfahren entdeckt, das ermöglicht, Soda in einer bisher unbekannten Reinheit von fast 100 °/ 0 herzustellen, wodurch die Glas-Industrie ein verlässliches und zufriedenstellendes Product in die Hand bekam.

Die Bedeutung der böhmischen Wälder für die Gewinnung der Pottasche war den böhmischen Glashütten klar, und wie es einst das Streben Venedigs war, die Rohmaterialien der venezischen Glas­industrie von der Ausfuhr auszuschliessen, so strebten auch die böhmischen Glashütten, nach Möglich­keit die Pottasche-Ausfuhr zu verhüten, theils um das werthvolle Material nicht fremden Hütten zukommen, theils auch um sich den Preis desselben durch die Ausfuhr nicht vertheuern zu lassen. Sie verlangten wiederholt eine Erhöhung des Ausfuhrzolles für Pottasche. 1750 wird eine solche von der Cameral- Direction (Graf Haugwitz und Graf Chotek) befürwortet und die Pottasche-Ausfuhr auf den Rath des Grafen Josef Kinsky dann ganz verboten. 1776 wurde dieses Verbot wieder aufgehoben, doch die Glaserzeuger waren damit nicht einverstanden und verlangten neuerlich in einem Majestäts-Gesuche vom Jahre 1804 das gänzliche Verbot der Pottasche-Ausfuhr.

Die Pottasche-Erzeugung war bis tief in unser Jahrhundert ein Nebengewerbe der Glasfabrication. Das Material wurde auf den Glashütten durch Auslaugen der Asche härteren Holzes, besonders des Buchenholzes in den sogenannten Pottaschehütten gewonnen. Erst mit dem Aufschwung der Rübenzucker- Industrie beginnt auch die fabriksmässige Herstellung der Pottasche in Oesterreich, indem die Melasse zum Zwecke der Spirituserzeugung in Gährung versetzt wird; aus der hiebei verbleibenden Schlempe, welche das Salz enthält, wird die Melasse-Pottasche gewonnen, die als gewöhnliche Melasse-Pottasche einen Reinheitsgrad von 6070 °/ 0 und raffinirt einen solchen von 8090 °/ 0 besitzt. Durch die fabriks­mässige Herstellung gelang es demnach, sowohl die Soda wie auch die Pottasche auf einen bis dahin gar nicht gekannten Reinheitsgrad zu bringen. Diese wichtige Verbesserung der beiden Rohmaterialien spielt für die Glas-Industrie eine grosse Rolle; denn zunächst wurde durch sie die Frittung, das sogenannte Vorschmelzen, vollständig überflüssig, dann gestattete die Verwendung so reiner Materialien eine viel verlässlichere Zurichtung des Glassatzes, sicherte eine gleichmässige Qualität des erzeugten Glases und befreite den Fabrikanten von vielen Zufälligkeiten, die früher selbst für den umsichtigsten Glas-Indu­striellen geradezu ein Füllhorn von Tücken enthielten. So hatte man einst beispielsweise bei Zugabe der Rohsoda auf 100 kg bestes Glas 25 kg Glasgalle, die ein vollständiges Ausschöpfen des Hafens, Abschrecken der Glasmasse in kaltem Wasser und erneuerte Schmelzung nöthig machten.

Die Kunst, «köstliches oder Meisterglas» zu schmelzen, die uns der beredte sächsische Pfarrer Mathesius in seinen Predigten, welche unter dem Titel «Sarepta oder Bergpostill» im Jahre 1562 zu Nürnberg gedruckt wurden, schildert, ist heute jedenfalls viel einfacher und leichter geworden. Will man Glas, das, um die Worte Mathesius zu gebrauchen, nicht blasig, federig, wolkig, blätterig, steinig oder grieslicht ist, erzeugen, so bedarf es jetzt jedenfalls keiner so umständlichen Procedur wie zu Mathesius Zeiten. Freilich sind die rauchigen und wolkigen Trübungen, die Kanten und Höcker, die Flecken, die Blasen und Gispen, die Streifen, Wellen und Rampen, die Schlieren, Winden und Fäden, die Rauhigkeit und Krätzigkeit Glaskrankheiten, die noch gegenwärtig nicht vollständig beseitigt sind, und deren Verhütung unausgesetzte Aufmerksamkeit des Fabrikanten erfordert.

Auch die Farbe des Glases wurde durch reinere Materialien naturgemäss vollkommener. Im Alter­thum und Mittelalter finden wir, dass das Glas gewöhnlich einen grünlichen Stich hat und weisses Glas die Ausnahme bildet. Dieser Stich, der von dem Eisengehalt der verwendeten Materialien, besonders des Quarzes, herstammt, ist für die meisten mittelalterlichen Gebrauchsgläser charakteristisch. Zu Mathe­sius Zeiten wusste man übrigens weisses Glas sehr wohl herzustellen, denn dieser sagt, dass das Glas

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