Anfänge dieses Jahrhunderts bekannt, und zwar kam es in England und Frankreich ziemlich gleichzeitig auf. Die böhmischen Fabriken, die durch die Einführung dieses gepressten Glases, das geschliffenem sehr ähnlich sah und sich bedeutend billiger stellte, eine grosse Einbusse in ihrem Geschäfte erlitten, suchten sich zwar dieses Artikels zu bemächtigen, doch ist das böhmische Kali-Kalkglas bedeutend härter wie das englische und französische Bleikrystall und daher der Pressung viel schwerer zugänglich, so dass die diesbezüglichen Versuche in Böhmen von keinem Erfolge begleitet waren. Neben der wieder­holt erwähnten Fabrik Neuwelt war es die Glasfabrik Marienthal in Slavonien, auf welcher Josef Lob- meyr, Vater des berühmten Glas-Industriellen Ludwig Lobmeyr, im Jahre i836 die Pressglas-Erzeugung zuerst versuchte, jedoch ohne grössere Erfolge.

Bis in die Achtzigerjahre unseres Jahrhunderts blieb dann das Pressglas eine Domäne der fran­zösischen, englischen und amerikanischen Industrie, bis die Firma J. Schreiber & Neffen, die auch später das Brillant-Pressglas auf den Markt brachte, den Artikel im Inlande aufgriff; diesem Beispiele folgten dann die Firmen S. Reich & Co., C. Stölzle u. A. In neuester Zeit wurde in Böhmen auch für die Erzeugung des Pressglases das Wannensystem zur Anwendung gebracht, doch ist die Frage, ob es sich hiefür bewähren w r ird.

Einen grossen Aufschwung erfuhr in den letzten Jahren die Beleuchtungsglas-Industrie. Zwar waren gläserne Ampeln schon im Mittelalter bekannt, und die färbig decorirten persischen und orientalischen Moschee-Ampeln aus dem Mittelalter zählen noch heute zu den kostbarsten Stücken der öffentlichen Glassammlungen. Die Entwicklung des Beleuchtungswesens ist jedoch eine Errungenschaft der neuesten Zeit. Seit den idyllischen Zeiten, wo für die Beleuchtung Wiens mit Klauenfett gespeiste Lampen sorgten, zu deren Anzünden durch das «Brennglöcklein» den Hausmeistern das Zeichen gegeben wurde, hat sich das Lichtbedürfnis der Menschheit wesentlich gehoben; hiedurch bot sich der Glas­industrie willkommener Anlass, ihr Erzeugungsgebiet entsprechend auszudehnen.

Hofrath v. Sonnenfels, der bekanntlich auch auf anderen Gebieten des öffentlichen Lebens für Licht und Aufklärung eintrat, führte 1776 kugelförmige Laternen aus weissem Glase in Wien ein. Durch die Einführung der Petroleum- und Gasbeleuchtung, sowie in jüngster Zeit durch das elektrische und das Gasglühlicht entstand eine rege Nachfrage nach Glasbedachungs-Artikeln aller Art. Die Schirme, Kugeln, Tulpen, Fächerschalen, die dazu nöthig waren, wurden entweder glatt oder in den verschiedensten Ausführungen geliefert; es entwickelte sich eine Beleuchtungsglas-Raffinerie in einem vorher nicht ge­ahnten Umfange. Wesentliche Verdienste in dieser Richtung hat sich die Firma S. Reich & Co. erworben, die sowohl auf dem Gebiete der Formgebung wie der Raffinirung und Dessinirung an der Spitze der Bewegung stand; ihrem Mitarbeiter Louis Fritzsche in Haida gebührt ein grosser Antheil an diesem Verdienst.

Wir kommen nun zur Besprechung eines Theiles der Glasfabrication, ohne welchen die Bequem­lichkeit des häuslichen Lebens schwer vorstellbar wäre, nämlich zu der Fenster-Verglasung. Noch um das Jahr 1000 begnügte man sich in so alten und reichen Klöstern wie z. B. Tegernsee anstatt des Glases mit vorgehangenen Tüchern; Marienglas, Horn, Pergament, Haut, Teppiche mussten den sehr unvollständigen Ersatz für das heute unentbehrliche Fensterglas bilden. Für Kirchen mögen schon vom 4. und 5. Jahrhundert an Fenster aus Glas gebräuchlich gewesen sein; für Privathäuser dürfte jedoch die Verwendung solchen Glases wohl erst vom 14. oder 15. Jahrhundert an zu datiren sein. So hebt es Aeneas Sylvius um das Jahr 1453 als Zeichen eines besonderen Luxus hervor, dass die Bürgerhäuser in Wien und Basel durchaus mit Glasfenstern versehen sind, trotzdem die «Sliemer», d. h. die Verfertiger von Fenstern aus ölgetränktem Papier um das Jahr 1463 in Wien noch als Corporation erwähnt werden. Die besten Fensterscheiben wurden noch bis in das 16. Jahrhundert in Venedig gemacht; 1562 sagt Mathesius, dass zu Venedig die «kleristen Fensterscheiben» verfertigt werden. Das böhmische Fenster­glas erfreute sich lange keines besonderen Rufes, ebensowenig wie das benachbarte bairische, denn der Rath von Nürnberg erliess wiederholt Verbote der «schlechten Behemisch schiitles und waldscheuben», so besonders durch ein Decret vom 27. April 1570, wo von dem «schweren Betrug, der in das Glasser- handwerkh eingerissen», die Rede ist, dass ein Theil der Meister diese «waldscheuben für guet Venedisch glass ausgiebt».