Durch das ganze Mittelalter hindurch geschah die Erzeugung des Fensterglases nach zwei Methoden. Es wurde entweder als sogenanntes Mondglas oder als Cylinderglas hergestellt. Die geographische Vertheilung dieser beiden Erzeugungsmethoden ist jedoch nicht sichergestellt; im Allgemeinen kann man Frankreich, England und die nördlichen Bezirke von Deutschland als die Stätten der Mondglas-Fabrication ansehen, während in Venedig und im übrigen Deutschland die Cylinderglas-Fabrication heimisch war. Schon Theophilus kennt das Blasen en cylindre; diese Erzeugungsmethode wird später zur herrschenden und selbst in Belgien, welches das erste Fabriksland der Welt für Fensterglas ist, wurde die Cylinderglas- Fabrication durch deutsche Arbeiter aus dem Schwarzwalde um das Jahr 1760 eingeführt. Zwischen 1760 und 1775 wurde die alte Art der rondes chiefs (Batzen- oder Mondgläser) durch das souflage du canon verdrängt, und gegenwärtig dient die Mondglas-Fabrication nur zur Herstellung der mehr kunst­gewerblichen Charakter tragenden Butzenscheiben, während der Massenartikel des gewöhnlichen Fenster­glases nur aus Cylinderglas besteht.

Eine Verbesserung der alten Cylinderglas-Fabrications-Methoden wurde dann in Belgien erzielt. Die Ansprüche an die Fensterglasscheiben bezüglich der Dimensionen und der Stärke wurden immer höher, so dass die alte deutsche, respective böhmische Methode ihnen nicht mehr nachkommen konnte. Durch das in Belgien und im Rheinlande geübte Verfahren, welches als rheinisch-belgische Methode bekannt ist, wurde dann ein wesentlicher Fortschritt erzielt, indem die Verlängerung der schwingenden Walze hauptsächlich durch die Centrifugalkraft bewirkt wurde, während der böhmische Bläser die kurze und breite Walze mit der Kraft seiner Lunge auftreiben muss. Es wurde bei beiden Methoden ferner eine Art Eintheilung üblich, indem der Gehilfe (Anfänger) den Glasposten aufnimmt und der Meister (Fertigmacher) die Walze vollendet. Damit sich Beide in der Manipulation nicht behindern, wurde dann für den Meister ein eigener Ofen, der sogenannte Trommelofen, zur Ausarbeitung der Walzen eingeführt. Nach der böhmischen Methode entfallen etwa 2577z 2 per Zeitschichte auf den Arbeiter, während nach der belgischen auf mehr wie das Doppelte gerechnet werden kann; die Walzen nach der belgischen Methode sind bedeutend grösser und stärker. Glas von 2 mm Stärke an wird überhaupt nur nach dieser Methode erzeugt, während das gewöhnliche Schockglas von 1 bis 1-5 mm noch nach der böhmischen Methode hergestellt wird. Die besten österreichischen Tafeln im Anfang unseres Jahrhunderts wurden von Joh. Mayer in Kaltenbach und Ignaz Hafenbrädl in Saar hergestellt; später dominirte auf diesem Gebiete die Firma Meyers Neffe in Adolf.

Durch die Einführung der Regenerativ-Heizung veränderten sich auch hier die Productions- Bedingungen vollständig. Während die älteren Fabriken ihr Tafelglas mit Holz herstellten, wurde nun für die mit Kohle arbeitenden Etablissements die Bahn frei. Die Tafelglas-Fabrication erlangte besonders in Böhmen, nachdem sie vor der Invasion des belgischen Glases durch die Erhöhung des Zolles theil- weise geschützt war, eine bedeutende Ausdehnung. Die rheinisch-belgische Methode wurde in Oester­reich zuerst und zwar fast gleichzeitig anfangs der Siebzigerjahre in der Fabrik Bohemia bei Heiligenkreuz in Böhmen und der Fabrik Oberndorf bei Salzburg eingeführt. Nach Oberndorf, das, wie schon erwähnt, auf Torfheizung eingerichtet war, wurde eine ganze Colonie von belgischen Arbeitern gezogen, von welchen dann ein Theil nach Köflach in Steiermark übersiedelt wurde, wo die belgische Methode gleichfalls zur Einführung gelangte. Köflach stellte seither die Tafelglas-Erzeugung ein, dafür erfuhr die Millimeter-Glaserzeugung nach belgischer Methode eine sehr weite Ausdehnung auf den Werken der Firmen Joh. Dav. Starck, Kupfer & Glaser, C. Stölzles Söhne, Mühlig, Fischmann, wie auf den Tafelglashütten der Firma S. Reich & Co.

Ein neuer Fortschritt in der Tafelglas-Industrie erfolgte in Belgien durch die Einführung der Tafel wanne. Wir haben dieses System bereits bei Besprechung des Flaschenglases geschildert; die Grundlagen desselben sind auch bei der Tafelglaserzeugung die gleichen, während jedoch die Flaschen­wanne sich überall leicht Eingang verschaffte, hatte die Tafelwanne mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, die in Oesterreich noch nicht als überwunden gelten können. Ein von Siemens, dem eigent­lichen Schöpfer des Wannensystems, in der Fabrik Neusattl mit der Tafelwanne gemachter Versuch, der missglückte, wirkte in dieser Beziehung förmlich abschreckend. Trotzdem hatte ein kleiner Fabrikant in Galizien, Namens Kropf, den Muth, das System auf seiner Fabrik in Tarnow anfangs der Achtzigerjahre

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