Römern bekannt, und der wirkliche Spiegelglasguss wurde erst durch Lucas de Nehon 1688 erfunden und dann von Abraham Thevart industriell ausgestaltet. Die Versailler Spiegelgallerie, die mit den Producten der ersten französischen Fabrik geschmückt wurde, zeigt deutlich, dass dieses Spiegelguss- Verfahren ganz andere Erfolge aufzuweisen hat wie der Glasguss früherer Zeiten.

Oesterreich gebührt der Ruhm, die Spiegelguss-Fabrication auf eine hohe Stufe gebracht zu haben; die Fabrik Neuhaus in Niederösterreich kann durch weit über ein Jahrhundert als die einzige Fabrik Deutschlands und Oesterreichs angesehen werden, die Spiegel­gussglas erzeugte, da es von der in Baiern im Jahre 1697 zu Neustadt an der Dosse durch den preussischen Minister v. Dankeimann gegründeten Spiegelfabrik, in welcher französische Arbeiter be­schäftigt waren, ebensowenig feststeht, dass sie Guss-Spiegelglas erzeugt hat, wie von ähnlichen anderen Gründungen in Deutschland. In diesem Fabricationszweig wäre demnach Oesterreich Deutschland um ein Jahrhundert voraus gewesen. Die Fabrik Neuhaus wurde von Herrn v. Rechtskron um das Jahr 1700 gegründet; da einheimische Arbeiter in dieser Fabrication ganz ungeübt waren, liess derselbe die Arbeitskräfte aus St. Gobain, der berühmten französischen Spiegelglasfabrik, kommen. Nach seinem Tode fiel die Herrschaft sammt der Fabrik an den Staat; dieser überliess sie als Lehen dem Finanzrath Bernhard von Mikosch, von welchem sie 1724 wieder an den Staat gelangte. Die Fabrik erhielt 1709 ein ausschliessliches Privileg, welches von Karl VI. und im Jahre 1 743 auch von der Kaiserin Maria Theresia bestätigt wurde. Die Erzeugung von Guss-Spiegelglas war verboten, die Einfuhr sehr erschwert, und erst 1760 wurde das Privileg in Folge Entwickelung der Spiegelfabrik zu Bürgstein aufgehoben; bis 1783 erhielt Neuhaus Quecksilber, Zinn und andere Materialien vom Staate unentgeltlich, das Holz gegen Ersatz der Schlagkosten. Besonders förderlich für die Fabrik gestaltete sich die Leitung durch den Hofrath v. Niedermayr in den Zwanzigerjahren unseres Jahrhunderts; die frühere messingene Gussplatte, i3o Zoll lang, 76 Zoll breit (988 Quadratzoll), wurde 1806 im k. k. Artillerie-Gusshause in eine solche von 11.600 Quadratzoll umgegossen; diese Gussplatte ruhte auf einem mit Rädern versehenen Gestell (Wagen), auf welchem sie zu und von den Kühlöfen geführt wurde. Für diesen W r agen wurde eine Eisenbahn nach Angaben des Herrn v. WIdmannstätten vom Wiener Schlosser Starchhau angelegt, welche die Bewegung wesentlich erleichterte. Die Last betrug bei 15.000 Pfund. Auch wurden die Schmelzöfen abgeändert und konnte in fünf Tagen zweimal gegossen werden, während früher nur alle sieben Tage ein Guss stattfinden konnte. Die Erzeugnisse der Fabrik Neuhaus waren im Anfänge unseres Jahrhunderts berühmt, sie übertrafen sogar die französischen. Für den Fürsten Liechtenstein wurde ein Spiegel, 120 Zoll hoch, 60 Zoll breit, für den Grossherzog von Würzburg ein solcher von 127 Zoll Höhe gegossen, ebenso er­regte der Spiegel für Erzherzog Ferdinand im Jahre 1808 grosses Aufsehen. Allerdings waren die Preise für solche Spiegel recht hohe; so kostete der Spiegel für den Fürsten Liechtenstein bei 6000 Gulden W.W. Von Neuhaus ist ein detaillirter Tarif aus dem Jahre 181 3 erhalten; es kostete beispielsweise ein Spiegel von 10 addirten Zoll (d. i. 6 Zoll lang, 4 Zoll breit) 18 Kreuzer, von 50 addirten Zoll 275, von 100 Zoll 480, von 150 Zoll 2525, von 180 Zoll 5346 Gulden W. W., für facettirte Spiegel erhöhten sich die Preise um io%- Jedenfalls aber waren die Guss-Spiegel grösserer Dimensionen bedeutend billiger wie die geblasenen, obgleich sie dieselben in der Qualität übertrafen, denn ein geblasener Spiegel der Fabrik Bürgstein von 108 addirten Zoll kostete i 3 oo bis 1400 Gulden W.W. Die Fabrik Neuhaus hatte einen stär­keren Absatz, besonders nach Italien und der Levante; sie nimmt in der österreichischen Industriegeschichte eine ehrenvolle Stellung ein. Wegen Wassermangel für den Schleifereibetrieb und Schwierigkeiten bei der Holzbeschaffung wurde die Fabrik dann nach Schlöglmühl bei Gloggnitz verlegt und 1840 ganz aufgelassen.

In die letzten Jahre ihres Bestandes fällt ein Versuch, in Böhmen die Spiegelglas-Fabrication auf­zunehmen; derselbe wurde von der Firma Christoph Abeles Söhne im Jahre 1834 auf ihrer Fabrik zu Deffernik, sowie später aut ihrer Fabrik Neuhurkenthal gemacht, führte jedoch zu keinem Erfolge. Ein anderer, auch nicht geglückter Versuch wurde in den Vierzigerjahren unseres Jahrhunderts von Peter Ziegler, dem bekannten Spiegelfabrikanten, auf der Fabrik Elisenthal im Böhmerwalde unter­nommen; doch erst im Jahre 1868 wurde von Josef Rudolf Ziegler in Stankau (Böhmen) die erste lebens- lähige Gusspiegel-Fabrik ins Leben gerufen, die, mit ziemlich primitiven Einrichtungen beginnend, sich im Laufe der Zeit zu einem sehr bedeutenden Etablissement entwickelte.

117