Werkzeuge waren übrigens bereits im Alterthum bekannt. Seit dem 16. Jahrhundert ist es üblich, dass sogenannte Kölbchen (den kleinen Anfangsposten) aufzunehmen, während im 12. und i 3 . Jahrhundert diese Methode noch nicht bekannt war; die Glasgegenstände der damaligen Zeit sind daher auch nur von mässiger Grösse.

Auch Metallformen, die schon die alexandrinische Glaskunst benützte, sind im Mittelalter wohl- bekannt, und zwar waren solche aus Kupfer üblich; im 16. Jahrhundert sind schon gemusterte und ge­streifte Formen im Gebrauche, aus welchen namentlich in den Spessarter Hütten die sogenannten Spechter erzeugt wurden. Eine besondere Entwicklung erfuhren die Formen durch Einführung des Pressglases, das an das Formmaterial die höchsten Ansprüche stellte. Die meisten Glashütten, die Pressglas er­zeugten, sahen sich daher veranlasst, zu diesem Zwecke eigene Formschlossereien einzurichten. Auf einigen Hütten sind für diese Formen während der Arbeit entsprechende Luftzuführungen eingerichtet, um ihre zu grosse Erhitzung zu vermeiden.

Schon Anfangs unseres Jahrhunderts suchte man die menschliche Lunge, die gegenwärtig noch für die Formgebung des Glases die erste Rolle spielt, durch Maschinen überflüssig zu machen. Solche Blasmaschinen wurden zuerst in Englandund zwar von Farthing 1846 construirt, jedoch bis auf die neueste Zeit konnte keine der vielen Constructionen sich Eingang verschaffen. Unter den Erfin­dern auf diesem Gebiete seien der Franzose Appert, der Engländer Ashley und der Deutsche Hilde genannt; die Glasblasmaschine der beiden Letzteren soll thatsächlich für die Flaschenfabrication schon in grösserem Maasse Anwendung gefunden haben, ohne dass jedoch nach dieser Richtung hin ein abschliessendes Urtheil möglich ist. In neuester Zeit ist sogar eine Tafelglas-Schwenkmaschine aufgetaucht, die dem Bläser auch die Handarbeit des Schwenkens ersparen soll. So werden wir vielleicht in nicht allzuferner Zukunft Blas- und Schwenkmaschinen dort in Thätigkeit sehen, wo bisher der prüfende Blick und das sichere Gefühl des Arbeiters allein ausschlaggebend waren.

III. Die Geschichte der Glasdecoration von der Mitte unseres Jahrhunderts

bis zur neuesten Zeit.

Nachdem die Entwicklung der Decorirung des Glases bis in die Mitte unseres Jahrhunderts von sachkundiger Feder (Herrn Custos Dr. Pazaurek) in diesem Werke eine eingehende specielle Behandlung erfährt, sind nur die Fortschritte auf diesem Gebiete in dem nachfolgenden Zeiträume zu berücksichtigen und ist ein kurzer Rückblick auf die Entwicklung der Raffinirungstechnik bei Behandlung der einzelnen Verfahrensarten zu werfen.

Die Decorationsart, durch die das böhmische Glas seinen Weltruf erlangte, ist, wie schon erwähnt, der Glasschliff und der Glasschnitt.

Die Entwicklung der Glasschleiferei steht in engem Zusammenhang mit jener der Steinschleiferei und Krystallschneiderei. Das substanznehmende Werkzeug, das den Schliff erzielt, ist bei allen das Rad, und der möglichst leichte Antrieb desselben bildet das Ziel der technischen Entwicklung.- Die Kurbel zum Handbetrieb, die Jahrhunderte lang in Uebung war, wird im Laufe der Zeit durch den Fussantrieb ersetzt. Caspar Lehmann, der bekannte Künstler des Glasschnittes, gilt jedoch nicht unbestritten als Erfinder des Fuss-Schleifrades, das nach dem Vorbilde des Spinnrades im Anfänge des 1 7. Jahrhunderts von ihm construirt worden sein mag. Für die Schleiferei wird dann die Wasserkraft herangezogen, die allerdings schon im i 3 . Jahrhundert nach einer Bemerkung des Heraclius zum Umtriebe von Schleifsteinen in der Steinschleiferei in Verwendung gewesen zu sein scheint; sie findet speciell in Böhmen, in den Tausenden von Schleifwerkstätten (Schleifzeugen) die ausgedehnteste Verbreitung. Erst in der von uns zu schildernden Epoche von 1850 an beginnt der Dampf auch hier mit dem Wasser in erfolgreiche Concurrenz zu treten. Gegenwärtig ist die Dampfschleiferei bei den fabriksmässigen Etablissements die vorherrschende, während die Wasserschleiferei eine mehr hausindustrielle, aber noch in weitem Umfange geübte Thätigkeit darstellt. Schon der Fussbetrieb war gegenüber dem Hand­betriebe ein Fortschritt, der das Glasschleifen, wie Sandrart 1678 sagt, zu einem Lustspiel machte.

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