da das weichere französische und englische Glas sich für die Aetzung gleichwie für den Schliff besser eignet als das härter zusammengesetzte böhmische. Es bedurfte einer längeren Praxis, um auch in Oesterreich die Aetzung auf eine ähnlich hohe Stufe zu bringen; gegenwärtig lässt die Blank- wie die Mattätze sowohl des Tafel- wie des Hohlglases kaum mehr etwas zu wünschen übrig. Besondere Anwendung erlangte die Aetzung auf dem Gebiete des Hohlglases für Service und Beleuchtungsgläser und ist zur Dämpfung des Lichtes, z. B. bei Gasglühlicht, wohl die beste und geeignetste Decorationsart. Es wurden sogar in Oesterreich selbst verschiedene neue Aetzverfahren gefunden, unter welchen das sogenannte Phanographie-Verfahren hervorzuheben ist. Der Bedarf in Flussäure brachte auch die inländische Production in diesem Artikel empor und wird Flussäure gegenwärtig in Oesterreich in höchst concentrirter Form bestens hergestellt.

Kurz sei hier auch noch das Trocken-Aetzverfahren erwähnt, welches sich Nienstädt in Berlin patentiren Hess, und das auch in Oesterreich zur Cylindermarkirung und für ähnliche Zwecke, wo an die Aetzung keine zu hohen Ansprüche gestellt werden, ausgeübt wird.

Der Gedanke einer billigen Massendecoration von Glas wurde durch den Amerikaner Tilghman verwirklicht, der im Jahre 1873 auf der Wiener Weltausstellung mit seinem Sandblas-Verfahren grosses Aufsehen erregte. Die Anwendung des Sandstrahles wurde dann durch spätere Construction noch we­sentlich verbessert; ausserdem ist durch Exhaustoren für vollständige Ableitung des Sandes gesorgt, so dass die hygienischen Nachtheile der früheren Apparate vermieden erscheinen.

Auch der Bemalung des Glases sind in den modernen Vervielfältigungsmethoden Concurrenten erwachsen, doch hat sie ihren Wirkungskreis sich im Wesentlichen erhalten. Von den mechanischen in Uebung befindlichen Methoden seien der Schwarzdruck und Buntdruck, sowie der von der Firma S. Reich & Co. in die Glas-Decoration eingeführte Achatdruck erwähnt, während die farbige Aetze (Rothätze oder Rubi- niren, Gelbätze, Lasiren u. s. w.) in Verbindung mit transluciden Emailfarben sehr hübsche Effecte schuf.

IV. Die österreichische Industriepolitik und die Glas-Industrie.

Nach der alten österreichischen Gewerbeverfassung zählte die Glas-Industrie zu den sogenannten Commerzial-Gewerben und unterstand der staatlichen Commerzial-Leitung im Gegensätze zu den auf den örtlichen Consum beschränkten, der Polizeigewalt unterstehenden Polizei-Gewerben. Die Vortheile dieser Zutheilung lagen in dem freieren Geiste, von dem die Commerzial-Leitung erfüllt war, und der den ihr unterstehenden Industrien zu Nutzen gereichte. Wir finden bereits im 17. Jahrhundert hervorragende Staatsökonomen in Oesterreich, unter welchen wir neben den berühmten Namen von J. J. Becher, Schröder, Hörnigk noch Johann Vogler, Gerhard von Leux und Kammerrath Joachim von Goltz hervorheben wollen.

Im Jahre 1666 wurde dann nach dem französischen Vorbilde des conseil de commerce, was wohl dem Einflüsse Bechers zuzuschreiben ist, ein Commerz-Collegium für das ganze Reich eingesetzt, «zur Einführung der Manufacturen und Vermehrung der Commerzien». An seiner Spitze stand der ver­diente Graf Zintzendorf; doch erst während der späteren Regierungszeit Leopolds I. und Josefs I. wurden die Grundlagen einer neuen Industriepolitik gelegt, zu welchen das im Jahre 1699 vom Prager Gubernium erstattete Gutachten, dessen Verfasser der böhmische Kammersecretär Johann Christian Borschek ist, den Anstoss gab; im Jahre 1705 folgt die Gründung einer eigenen Commerz-Depu­tation für Böhmen, als deren Referent wieder Borschek fungirte, bis dann unter Maria Theresia eigene Commerz-Consesse für die einzelnen Länder bestellt wurden. Der spätere Präsident des böhmischen Commerz-Consesses, O. L. von Loscani, der auch im Jahre 1754 die erste öffentliche Ausstellung, die überhaupt stattfand, veranstaltete, zeigte sich um die Hebung der böhmischen Glas-Industrie sehr besorgt, auf ihn und den Grafen Josef M. Ivinsky sind viele Maassregeln zurückzuführen, die diesem Zwecke zu dienen bestimmt waren. Die von Justi und Sonnenfels, den ökonomischen Leuchten des theresianischen Zeitalters, vertretenen Ideen wurden auch im Staatsleben die geltenden. Der Grundzug der österreichi- sehen Commerzial-Leitung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war ein aufgeklärter und nach vielen Richtungen hin direct freiheitlicher. «Die industrielle Freiheit ist die Basis alles Fortschreitens

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