Wirkung. Ebenso wurden gegenseitige Einfuhrverbote für Glas erlassen und hiedurch sowohl die schlesi­schen Glasraffineure, als auch die böhmischen Glaserzeuger geschädigt.

Welche Wichtigkeit dem Glasmacherstande in Böhmen beigemessen wurde, zeigt das ausführliche Glasmacher-Reglement vom 5. October 1765, welches in eingehender Weise die Rechtsverhältnisse der Glasmeister zu ihren Gesellen und Lehrjungen ordnet. Sowohl bezüglich der Lehrjahre, wie des Ver­haltens der Arbeiter gegen die Glasmeister, der Pflichten der letzteren, der Ausfertigung von sogenannten Kundschaften (Begleitpapieren), der Abzüge bei Vorschüssen, der Art der Verköstigung werden ganz detaillirte Vorschriften gegeben. Selbst bei den Wanderungen der Glasmacher im Inlande wurden be­sondere Vorsichten angewendet. Ohne Pass war nicht einmal der Uebergang in eine andere Provinz gestattet. Die Regierung suchte auch ein zu starkes Anwachsen der Zahl der Glasmacher, die dann eventuell durch Beschäftigungslosigkeit zur Auswanderung veranlasst werden könnten, durch Beschränkung der Lehrlingsanzahl zu verhindern. Zunächst durften, um die Glasmacherkunst dem Auslande nicht zu­gänglich zu machen, nur eingeborne Lehrjungen aufgenommen werden, und zwar nur einer auf je zehn Hafen. Die Freisprechung solcher Lehrlinge durfte nur mit Bewilligung des Landesguberniums erfolgen. Erst im Jahre i8i3 wurde die Beschränkung der Zahl der Lehrlinge als mit den bestehenden commer- ciellen Grundsätzen unverträglich aufgehoben, während die übrigen Vorschriften sich bis zum Jahre 1835 behaupteten. Die im Jahre 1859 eingeführte Gewerbefreiheit war für die Glas-Industrie von keiner wesent­lichen Bedeutung und mehr eine Bestätigung des ohnehin schon bestehenden gesetzlichen Zustandes. Wichtiger war die Arbeiterschutzgesetzgebung der Achtzigerjahre, das Verbot der Kinderarbeit, der Nachtarbeit von Frauenspersonen, der Maximal-Arbeitstag und als Letztes die Einführung der Sonntags­ruhe im Glashüttenbetriebe. Das Verbot der Kinderarbeit, welche schon Bontemps in seinem «Guide du verrier» in einsichtiger Weise scharf getadelt hatte, sowie die Beschränkung der Nachtarbeit für jugend­liche und weibliche Personen können als sociale Fortschritte nur begrüsst werden. Statt des Maximal- Arbeitstages gelangte in der Glas-Industrie die Maximal-Wochenarbeitszeit zur Anwendung, eine der Industrie angepasste Vorschrift, die sich ohne Schwierigkeit eingelebt hat, nur die Sonntagsruhe steht mit den Betriebsverhältnissen der Industrie nicht in vollem Einklang, ist vielfach schwer durchführbar und legt dem Industriellen empfindliche Opfer auf; trotzdem wird auch diese Institution, die von einem höheren Standpunkte aus als eine vollberechtigte Forderung erscheint, in Oesterreich nicht dem geringsten Widerspruch begegnen, sobald sie auch in anderen Ländern, mit deren Concurrenz der österreichische Glasfabrikant zu rechnen hat, allgemein zur Durchführung gelangt ist. Die Fürsorge für die Glasmacher ging sogar so weit, dass social-politische Forderungen der neuesten Zeit bereits seit Maria Theresia für dieselben eine Verwirklichung gefunden haben. «Wenn eine Glashütte eingeht und die Arbeiter verab­schiedet werden, erhalten sie Pässe in ihren Geburtsort; es wird ihren Obrigkeiten aufgetragen, zur Ver­hütung der Auswanderung auf sie besonders aufmerksam zu sein und für ihren Unterhalt die möglichste Sorgfalt zu treffen. Den Kreisämtern ist aufgetragen, vierteljährige Verzeichnisse der brotlosen Glas­macher zu dem Zwecke an die Landesstelle zu überreichen, um solche sämmtlichen Glasmeistern im Lande kundzumachen, damit die Arbeiter ohne Verzug anderswo untergebracht werden.» Bis zur Unter­bringung wurde den zur Arbeit tauglichen Gesellen von der Landesstelle eine kleine Provision, für Ge­sellen 5 Kreuzer, ein gleicher Betrag für sein Weib und für jedes Kind 3 Kreuzer, bewilligt; die arbeits­unfähigen Glasmacher waren von dieser Unterstützung ausgeschlossen und an das Armen-Institut oder an ihre Meister angewiesen. Diese Provision wurde dann im Jahre 1806, weil sie sich zur Verhütung der Auswanderung unzureichend erwiesen hatte, von dem böhmischen Gubernium aufgehoben. Wir sehen hier also einen vollständig organisirten Arbeitsnachweis verbunden mit einer Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, die allerdings wegen ihrer Unzulänglichkeit ihren Zweck nicht erreichte, aber trotzdem ein ehrendes Zeugnis der ökonomischen Einsicht der damaligen Regie­rungen bietet und Oesterreich auf diesem Gebiete fortgeschrittener zeigt, als gewöhnlich angenommen wird. Freilich lag mehr die Absicht, die Industrie vor den Schäden einer Emigration ihrer Arbeiter zu bewahren, als ein bewusster Arbeiterschutz diesen Maassregeln zu Grunde. Immerhin ist das Streben, die ökonomische Lage der Arbeitslosen zu verbessern und ihnen den Aufenthalt im Lande zu ermöglichen, anzuerkennen, da andere Staaten sich in solchen Fällen mit blossen Repressiv-Maassregeln begnügten.

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