Friedrich Eg ermann in Haida, die Graf Harrachsche Fabrik in Neuwelt, die Fabrik Meyers Neffe und die Glashütten des Grafen Buquoy brachten in dieser Zeit viele Neu­heiten sowohl in der Decoration wie auch in der Glascomposition, doch fehlte diesen Schöpfungen noch der grosse künstlerische Zug. Wenn berücksichtigt wird, welche Stagnation im Allgemeinen in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts auf dem Gebiete des Kunstgewerbes in Europa herrschte, so haben die mannigfachen Leistungen und Fortschritte der Graf Harrachsehen Fabrik Neuwelt und Egermanns in Haida nur umsomehr Anspruch auf Anerkennung. In beiden verkörperte sich die gute alte böhmische Tradition, in der Fabrik Neuwelt eine kunstgerechte Farbenglasherstellung mit mannigfachen neuen Decorationseffecten, bei Egermann Fortschritte in der Raffinerie des Glases, welchen es voriiglich zu danken ist, dass der schon drohende gänzliche Niedergang der böhmischen Glasraffinerie abgewehrt werden konnte.

Das Schwergewicht der Glas-Industrie lag die ganze Zeit über in den opaken Gläsern. Das Alabaster- und das Beinglas in ihren verschiedenen Färbungen, in welchem der Glasfabrikant Kralik (Firma Meyers Neffe) Hervorragendes leistete, Turquis-, Smaragd-(Beryll-)Glas, das Milchrosa beherrschten den Markt, und die Raffmirung lebte von dem Schliff, der Schälung und Vergoldung dieser Glassorten, ohne dass eine Stilisirung weder der Glasform noch der Glasdecoration angestrebt wurde; daneben spielt noch das alte weisse Beinglas mit den verschiedensten Bemalungen und Schliffverzierungen eine Rolle. Als besonders kunstvoll galt die Herstellung des weissen, mit verschiedenfärbigem Glas überfangenen Emailglases, das durchschliffen, vergoldet und bemalt den kunstgewerblichen Höhepunkt der Zeit dar­stellte. Das Krystallglas, seit jeher der Stolz der böhmischen Glas-Industrie, wurde zwar in alter Weise gepflegt, doch war es nur ein mechanisches Fortsetzen der alten Tradition. Erst um die Mitte unseres Jahrhunderts beginnt sich eine Wendung zum Besseren zu vollziehen. Der grossen politischen Reforma­tion, die von Frankreich aus ihren Weg durch Europa nimmt, folgt schon einige Jahre später der Beginn einer gleichen Bewegung auf dem Gebiete des Kunstgewerbes. Den Anstoss dazu bildet die erste Londoner Weltausstellung vom Jahre 1851, auf welcher zum ersten Male die industriellen Fortschritte des Gewerbefleisses der europäischen Culturnationen sich vereinigt fanden; in diesem friedlichen Wett­streite erhielt die französische Kunstindustrie die Palme; ihre Leistungen boten das anregende Element für die Industrien der übrigen Völker.

Es war ein Deutscher, Gottfried Semper, der dieser Ausstellung die eigentliche fruchtbare Idee ablauschte. Auf die Londoner Erfahrungen gestützt, stellte er ein weitsehendes Kunstindustrie- Programm auf, das die Gründung von Kunstgewerbe-Museen, Kunstgewerbeschulen und Befruchtung des Kunstgewerbes durch die hervorragenden Leistungen der früheren Zeiten zum Ziele hatte. Bereits die zweite Londoner Ausstellung vom Jahre 1862 zeigte, dass Frankreichs Kunstindustrie nicht ohne Rivalen sei. Die Engländer hatten in den elf Jahren, welche seit der ersten Ausstellung verflossen waren, sehr bedeutende Fortschritte gemacht und traten vollberechtigt auf dem Gebiete des Kunstgewerbes an die Seite der Franzosen. Die Ideen Sempers waren in England zuerst auf fruchtbaren Boden gefallen, wo die Gründung des South Kensington-Museums seine Pläne zum grossen Theile verwirklichte; die wohlthätigen Wirkungen dieser Schöpfungen zeigten sich offenkundig dem aus der ganzen Welt zu­sammengeströmten Ausstellungs-Publicum.

Es ist österreichisches Verdienst, diesen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Fortschreiten der englischen Kunstindustrie und der Verwirklichung von Sempers Ideen nicht blos gefunden, sondern auch der richtigen Verwerthung dieses Gedankens das eigene Land erschlossen zu haben. Von allen Staaten Europas war Oesterreich der erste, welcher das in England gegebene Beispiel nachahmte, und bereits zwei Jahre später, im Jahre 1864, wurde nach englischem Vorbilde in Wien das Oesterreichische Museum für Kunst und Industrie gegründet, um dessen Schaffung sich besonders Rudolf von Eitel­berger grosse Verdienste erwarb. Eine Schaar tüchtiger und strebsamer Industrieller standen ihm hiebei hilfreich zur Seite; unter diesen ist es besonders Ludwig Lobmeyr, der, vom Zuge der neuen Zeit ergriffen, auf dem Gebiete der Glas-Kunstindustrie geradezu bahnbrechend wirkte. Ludwig Lobmeyr, 1829 in Wien geboren, Sohn eines Glasfabrikanten, hatte nach dem Tode seines Bruders Josef das väterliche Geschäft im Jahre 1864 allein übernommen; von seiner Persönlichkeit getragen, wurde das-

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