selbe bald zum ersten kunstgewerblichen Etablissement Oesterreichs. Mit feinstem künstlerischen Formen­sinne begabt, fertigte er für den grössten Theil seiner Glasschöpfungen selbst die Entwürfe; seine Form­gebung ist geradezu als classisch zu bezeichnen.

Blicken wir in die Geschichte der Glas-Industrie zurück, so finden wir auf ihren Höhepunkten zwei Formgebungen, die mehr oder minder im Gegensatz zu einander stehen. Das venezianische Glas sieht sein Ziel in der spielenden Ueberwindung des Materiales, das die kunstvolle Hand des Arbeiters in jede Gestalt zaubert, das leicht und luftig das antike Idealglas, den nimbus vitreus, das Glaswölkchen aus Duft zu verwirklichen scheint. Schon im Jahre 1495 sagte ein Italiener angesichts dieser Gläser, dass alle menschlichen Wonnen aus dem Glasstoff hergestellt werden. Im Gegensätze dazu hat das böhmische Glas mehr massige, schwere Formen, die nicht durch sich selbst in erster Linie wirken wollen, sondern als Unterlage für den Schliff und die Gravirung zu dienen bestimmt sind, in welchen Decorationen die böhmische Kunsttechnik ihre eigentlichen Triumphe feiert.

Lobmeyr gelang es nun bei seiner Formgebung, einen glücklichen Mittelweg zwischen diesen beiden verschiedenen Glas-Stilisirungen einzuschlagen. Er verbindet bei seinen Schöpfungen den leichten venezianischen Glasflug mit dem mehr auf sich beruhenden, in sich abgeschlossenen und nicht über sich hinausstrebenden böhmischen Glaswerk und schafft so eine Reihe der edelsten Formen, die dem Materiale so adäquat sind, dass sie als unübertrefflich gelten können; daneben stellt er das Glas auf die Schönheit seines eigenen Materiales, auf seinen Glanz und seine Leuchtkraft, bricht vollständig mit der früher so beliebten Nachahmung anderer Stoffe, die in der Erreichung weissen Porzellans durch Beinglas so lange das Höchste gesehen hatte. Lobmeyrs weiteres Verdienst ist, dass er die besten Namen der mitschöpfenden- Künstler um sich vereinigte und sie in den Dienst seiner Ideen stellte. Wie die deutsche Renaissance im Kunstgewerbe durch Künstler wie Dürer und Holbein durch die ganze Reihe der deutschen Kleinmeister wie Aldegrever, Altstorfer, die Behams, V. Solis, Zündt, die Hopfers u. A. m. begründet wird, wie italienische Künstler vom Range des Giotto, D. Ghirlandajo, der Gaddis es nicht verschmähen, unter die Glasmosaicisten zu gehen und Sansovino, Tintoretto und Tizian die Cartons für Glasmosaiken entwarfen, so gelang es auch Lobmeyr, die Scheidewand, die sich zwischen Kunst und Kunstgewerbe in unserem Jahrhundert gebildet hatte, niederzureissen und diesem die besten zur Verfügung stehenden Kräfte aus dem Stande der Architekten und Plastiker zuzuführen und auch hervorragende Maler zu Entwürfen für das ihnen bisher fremde Gebiet zu ver­anlassen. Wir nennen aus dem Kreise, der sich um Lobmeyr sammelte, nur die Namen Eisen­menger, Hansen, Schmidt, Storck, Zumbusch, denen sich Kühne, Rehländer, Salb, Schwarz, Schmoranz und Theier anschliessen. Durch das Zusammenwirken so hervorragender Kräfte war es Lobmeyr möglich, Meisterleistungen zu schaffen, die alles bisher auf dem Gebiete des Glaskunst­gewerbes Hervorgebrachte in Schatten stellen. Schon im Jahre 1872 erregte er durch sein Kaiser- Service, dessen Entwurf von Storck herrührt, allgemeine Bewunderung. Eine solche Verbindung auf dem Gebiete des Kunstgewerbes, eine so reiche und so treffliche Gravirung hatte man bis dahin in Oesterreich noch nicht gesehen. In den Motiven war an die besten und hervorragendsten Bergkrystall- Arbeiten der kaiserlichen Museen angeknüpft. Doch wie selbstständig dem Materiale entsprechend waren dieselben umgewerthet!

In diesen geschliffenen Prunkstücken kann sich überhaupt kaum Jemand mit Lobmeyr auf eine Stufe stellen.

Als seine grösste und umfangreichste Leistung auf diesem Gebiete ist der Hochzeitszug N e p t u ns, welchen Eisenmenger nach einem antiken Marmorrelief der Münchner Glyptothek componirte, zu nennen. Diese Prachtschale hat 42 cm im Durchmesser, steht daher auch in der Grösse unerreicht da. Unermüdlich ist Lobmeyr noch jetzt auf diesem Gebiete thätig. Für die Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 ist bereits eine Collection von neuen Schüsseln und Schalen in Vorbereitung, unter welchen die vier Jahreszeiten und die drei Grazien nach Eisenmenger hervorzuheben sind. Lobmeyr bevorzugt bei diesen eine flachere Gravirung gegenüber dem tiefen Intaglio seiner früheren Meisterwerke, doch bedecken Figuren_in so reicher Fülle das Werk, dass man sich fast versucht fühlt, von einem Figurenkranze zu sprechen.

Die Gross-Industrie. II. 17

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