Jagd, Fischerei, Vogelstellerei oder aus dem musikalischen und gesellschaftlichen Leben. Daneben sehen wir kleine Landschaften oder ganze Gartenprospecte mit geschorenen Taxushecken, mächtige Handelsschiffe auf hoher See, selbst grosse Panoramen bekannter Städte; am häufigsten sind Wappendarstellungen und Monogramme, welche allerdings nicht selten erst auf das vollendete Glas nach Angabe des Käufers eingeschnitten wurden. Der künstlerische Werth der Glasschneidearbeit ist sehr verschieden; je nach dem Preise gibt es ganz minderwerthige Dutzendware und exceptionell sorgfältig ausgearbeitete Stücke; eine Gruppe gelungener Arbeiten, die sich gegenwärtig in der Glassammlung des Nordböhmischen Gewerbemuseums zu Reichenberg befinden, zeigt uns die beigefügte Tafel. Rein ornamentale Details, Landschaftliches oder Emblematisches gelingt tadellos; Figürliches, namentlich in grösserem Maasstabe, ist der schwierigen Technik des Glasschnittes nur unvollkommen erreichbar.
Aber auch die ornamentalen Umrahmungen verursachen unserem Glasraffineur manches Kopfzerbrechen, da die zahlreichen damals verbreiteten Ornamentstiche mit dem «neu inventirten Laubund Bandelwerck» der Technik des Glasschnittes gar nicht oder nur sehr mangelhaft angepasst sind. Wohl ist Paul Decker’s «Neues Groteschgen-Werk» auch «vor Glasschneider» bestimmt, ebenso beispielsweise das «Zierathen Büchel» von S. Conradt Reiff, aber diese und ähnliche in Nürnberg verlegte Kupferstiche entsprechen nur zum Theile der böhmisch-schlesischen Decorationsweise und waren mehr in Franken oder Thüringen maassgebend. Der Glasdecorateur unserer Waldgebirge musste sich die Motive eines Eysler oder anderer Zeitgenossen erst umcomponiren und für seine Technik zurechtlegen; hatte er keine «Gründliche Anleitung vor unterschiedliche Professiones», oder wie immer solche Büchlein hiessen, zur Fland, nun so griff er zur nächstgelegenen Zunfturkunde, deren Kalligraphenschnörkel ihm willkommene Anregung bot, oder er benützte die Randleiste oder Schlussvignette der erstbesten Bibel, die sich entsprechend modificirt für seine Zwecke verwenden liess.
Bei aller nationalen Eigenart, die die böhmisch-schlesischen Producte von den Erzeugnissen Nürnbergs, Brandenburgs oder Sachsens unterscheidet, geht ein grosser kosmopolitischer Zug durch unsere Gläser, was sich auch in der Sprache der stereotypen Inschriften äussert; es sind dies theils Sprichwörter oder populäre geflügelte Worte jener Zeit, theils beliebte Stammbuchverse oder Motti, denen wir auch auf damaligen Gedenkmünzen begegnen. Vorherrschend bleibt natürlich, der Heimat unserer Glas-Industrie und dem Hauptabsatzgebiet der Erzeugnisse entsprechend, das Deutsche; aber auch andere Weltsprachen, wie das Französische oder namentlich das Lateinische, sind überaus häufig, und man verzeiht es dem schlichten Kunsthandwerker, wenn grammatikalische Schnitzer nicht selten mit unterlaufen. Die Haidaer Piaristen gaben sich zwar alle Mühe, die Glaskünstler und Glashändler ihres Wirkungskreises wenigstens mit den elementarsten fremdländischen Sprachkenntnissen, speciell was das Spanische anbelangt, auszurüsten; aber naturgemäss konnte das Lehrziel nur ein bescheidenes sein, und andere Gegenden mussten auch auf diese Wohlthat verzichten. Auf mühevollen Wanderungen galt es, sich die nothwendigen Kenntnisse zu verschaffen, Bedürfnisse und Launen der entferntesten Consumenten liebevoll zu studiren, um den einmal gewonnenen Weltmarkt zu behaupten und neue vortheilhafte Verbindungen anzuknüpfen. Der internationale Charakter der böhmischen Glas-Industrie äussert sich nicht nur in mancherlei erhaltenen Reliquien aus fernen Handelscentren, sondern auch unmittelbar in diesbezüglichen Schriftstücken. Unter den Reliquien, die ferne Beziehungen verewigen, zählt zu den interessantesten ein Delfter Teller im Hamburgischen Museum für Kunst und Gewerbe aus dem Jahre 1757 (ein zweites identisches Exemplar bewahrt das Museum von Haida); es ist dies ein Hochzeitsgeschenk an eine Glaserfamilie von Pärchen, ein Gruss aus der bekannten holländischen Fayencemalerei des «Porzellanbeiles» an unsere Glas-Industrie. Von den älteren Urkunden, die uns einen Einblick in die Verhältnisse gewähren, ist wohl die wichtigste jener Brief vom Jahre 1704, den der Jesuitenmissionär Sabel aus Rotterdam nach Winterberg richtete, und der sich nun im fürstlich Schwarzenberg’schen Archiv von Wittingau befindet. Dem Glasdecorateur werden in diesem Schriftstück die detaillirtesten Auskünfte ertheilt, wodurch speciell im spanischen Südamerika der Markt gewonnen werden könnte, und welche Sujets namentlich die katholische Mission in jenen Gebieten zu propagiren gewillt wäre.
Aber die ausgedehnten Beziehungen zu anderen Ländern hatten auch ihre Gefahren und Nachtheile. Gar viel böhmisches Glas wird undecorirt oder nur halbraffinirt auf die Reise genommen, um
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