erst von Fall zu Fall durch wandernde Glasschneider veredelt zu werden. Und so mancher dieser Glas­schneider, die bei den böhmischen Glashütten ihre Fertigkeit erlangt, kehrt in die Heimat nicht wieder; vortheilhafte Angebote fesseln ihn an andere Gegenden, wo sein Können Schule macht und der Heimat eine unangenehme Concurrenz bereitet. Wenn böhmische Glasschleifer sich in Meissen anwerben lassen, um das Böttgersteinzeug zu poliren, dann ist zwar der Verlust geschickter Arbeitskräfte, deren es zu Hause noch keinen allzu grossen Ueberfluss gibt, zu bedauern, aber weitere schlimme Consequenzen erwachsen dadurch unserer Glas-Industrie nicht. Wenn aber singuläre Kräfte, wie der Glasschneider Gottfried Spiller, nach Brandenburg ziehen, um die dortige Production zu befruchten, wenn andere sich in Nürnberg, Schlesien oder Thüringen niederlassen, um daselbst ihre Fertigkeit zu verallgemeinern und die Vortheile ihrer Lehrjahre anderen zugänglich zu machen, dann versteht man die gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts immer lauter werdenden Klagen über die schädigende Verschleppung, die ver­schiedenen Gesuche und Promemorien, die sich uns erhalten haben; doch bleibt das Einschreiten der Behörden ohne Effect.

Wie innig die Verbindung von Böhmen und Schlesien gewesen ist, das bezeugt am besten die Thatsache, dass die schlesischen Gläser von denen Nordböhmens bis zum siebenjährigen Kriege nur in den seltensten Fällen unterschieden werden können. Erst nachdem Schlesien aufhört, habsburgisch zu sein, und zugleich mit der Errichtung der politischen Schranke viele intime Wechselbeziehungen zer­rissen werden, nimmt der Charakter der Glasdecoration diesseits und jenseits der Schneekoppe selb­ständige, von einander verschiedene Formen an. Inzwischen ist übrigens die Rococozeit zur Allein­herrschaft gelangt, deren Tendenzen unserem Glase wenig Zusagen konnten. Der venezianische Glasstil hätte, wenn Venedig damals in der Glas-Industrie noch die frühere grosse Bedeutung gehabt hätte und das conservative Italien für den Rococogeschmack nicht ein zu ungünstiger Boden gewesen wäre, sich der neuen Richtung leichter anpassen können. In Böhmen jedoch, wo Glasschliff und Glasschnitt herrschen, hatte das Rococo auf die Gefässformen gar keinen Einfluss, sondern kam nur spät und schüchtern in den eingeschnittenen Umrahmungsornamenten zum Worte. Ein Beispiel bietet die Schlussvignette dieses Aufsatzes. Und als die classicistische Strömung der Rococozeit ein allzu frühes Ende bereitete, war das Glas, getreu seiner conservativen Eigenart, mit an der Spitze jener Elemente, die die äusserlichen Rococozieraten rasch abstreiften, um in historisch beglaubigte Bahnen einzulenken.

Aber nicht nur der Glasschnitt, auch die Glasmalerei wurde im 18. Jahrhundert weiter gepflegt. Die kräftige Malerei in Emailfarben sank allerdings künstlerisch immer tiefer und beschränkte sich schliess­lich auf gewöhnliche Zunftgläser: mittelmässige Handwerksarbeiten für Handwerkerkreise. Aber das Be­streben des in Nürnberg thätigen Harburgers Johann Schaper, der durch minutiös ausgeführte Schwarz­lotmalereien seinen Productionszweig gegenüber dem aufkommenden Glasschnitt concurrenzfähig zu erhalten wusste, war auch in Oesterreich nicht ohne Folgen geblieben, und an verschiedenen Orten wurden die Glasgefässe, nun auch facettirte Pocale mit feiner Schwarzlotmalerei im Laub- und Bandel­werkstile decorirt, wozu häufig auch noch eine wirksame Goldhöhung hinzukam. Ausser dieser Gruppe gemalter Gefässe sind aber noch zwei Arten zu verzeichnen, die den Glasmaler vor dem Aussterben seiner Kunst bewahrten; die eine derselben sind die Milch- und Opalgläser, die in Böhmen schon seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert nachgewiesen werden können, aber erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, im steten Wettstreite mit dem hochgeschätzten Porzellan theilweise auch als Surrogat für dieses in Mode kamen. Der opake Hintergrund gab die beste Gelegenheit, die farbigen Bilder zur vollsten Geltung zu bringen. Die andere Gruppe hält an dem völlig durchsichtigen, der Licht­brechung wegen noch facettirten Glase fest und gibt den, meist in stumpfem Purpur-Camaieu gehaltenen Genrevignetten im Watteaugeschmack höchstens so viel weisse Folie, als die Umrisse des Bildchens eben erfordern; doch auch diese Arbeiten sind den gleichzeitigen Leistungen der Glasschneider, Was den künstlerischen Werth anbelangt, nicht gewachsen.

Die Aussenvergoldung tritt in dieser Periode zurück. Die einfachste und älteste Art der Gold­auflage war schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts mit dem Glasschnitt combinirt worden, einerseits um das in den vertieften Stellen angebrachte Gold besser vor Abnützung zu schützen, anderseits, namentlich später, auch deshalb, weil man sich überzeugt hatte, dass eine derartige Vergoldung, von

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