gilt jetzt Reichenau. Die Glasschneidekunst wird im allgemeinen nur noch sehr wenig ausgeübt, da sie durch das Aetzen des Glases stark in den Hintergrund gedrängt worden ist.

Eine wichtige Rolle in der Gablonzer Glas-Industrie spielt unter anderem auch die Glasschleiferei. Die Anzahl der bei diesem Industriezweige beschäftigten Personen ist eine sehr ansehnliche. Schleifereien, in welchen je 650 Personen beschäftigt sind, gibt es circa 400. In dem Gablonz-Tannwalder Bezirke dominiren zunächst die Schleifereien für Knöpfe, sowie Krystallwaaren und Glassteine. Letztere werden jedoch auch viel in den benachbarten tschechischen Gegenden geschliffen, woselbst die Perlenschleiferei ihren ausschliesslichen Sitz hat.

Die gewerberechtlichen Formen des Schleifereibetriebes sind äusserst mannigfaltig und vielfach sehr complicirt. Der Schleifer arbeitet entweder in seiner eigenen Wohnstätte allein oder mit Frau und Kind an einem mit dem Fusse (Trampelzeug) oder mit Wasserkraft betriebenen Radstuhl (Oertel) oder auch mit Hilfsarbeitern. Zumeist aber findet die Schleiferei ausserhalb der Wohnstätte der Arbeiter statt, und zwar geschieht dies in der Weise, dass der Besitzer einer Wasserkraft diese zum Betriebe von einzelnen Radstühlen verwendet, beziehungsweise vermiethet, wobei er auch gewöhnlich der Eigen- thümer des für die Schleiferei bestimmten Raumes, des. Mühlrades oder der Turbine, der Transmission und dies jedoch nicht immer der Radstühle ist.

Dieser Schleifmühlenbesitzer oder sein Pächter vermiethet nun die einzelnen Stühle oder auch nur den Platz für dieselben, in welchem Falle der Schleifer sein Werkzeug selbst beizustellen hat, sammt der Kraft an einzelne Schleifer, beziehungsweise auch mehrere Stühle an einen Meister auch Lieferanten oder Exporteur welcher Hilfsarbeiter beschäftigt.

Der Gewerbe-Inspector erklärt die grossen Schleifereien für Fabriken; alle Momente eines Fabriks­betriebes seien vorhanden, Zahl der Arbeiter, Motoren und Maschinen, arbeitstheiliges Verfahren etc. Von dem einen Umstande, dass ein Unternehmer fehlt, der gewissermassen der Repräsentant der ganzen Productionsstätte ist, sieht der Gewerbe-Inspector aus praktischen Gründen ab, um eben die Forderungen nach der Unfallversicherung der in der Schleiferei beschäftigten Arbeiter und verschiedene sanitäre und hygienische Forderungen aufstellen zu können, indem er für die Erfüllung dieser Forderungen den Schleifmühlenbesitzer, beziehungsweise Pächter haftbar macht.

Sind die Leute stark beschäftigt, so arbeiten sie, besonders in den kleineren Schleifereien, welchen die Gewerbebehörde keine Vorschriften betreffs einzuhaltender maximaler Arbeitszeit machen kann, häufig bis in die späte Nacht hinein. Ist wenig Arbeit vorhanden, so kommt es vor, dass sie ganze Tage nicht in der Schleifmühle zu sehen sind.

In der Regel fügen sich die Schleifmühlenbesitzer den Forderungen der Behörde. Sie melden ihre Miether für die Unfallversicherung und bei der Krankencasse an, ja sie stellen ihnen sogar Arbeits­bücher aus, die sie in Verwahrung behalten, obwohl sie in der grössten Mehrzahl nichts weniger als die Arbeitsgeber sind, sondern rein und lediglich Vermiether von Kraft, Local, Radstuhl u. s. w. Die Arbeits­geber sind ganz andere Leute. In den meisten Fällen aber ist von einem Arbeitsgeber in dem Sinne, dass die Schleifer zu ihnen im Verhältnis von Hilfsarbeitern im Sinne der Gewerbeordnung stünden, gar nicht die Rede, sondern die Schleifer sind selbständige Arbeiter, deren nähere Qualification als Gewerbe­treibende oder als Haus-Industrielle von Fall zu Fall verschieden und vielfach sehr schwer festzustellen ist. Freilich besteht diese Selbständigkeit auch nur in Bezug auf die Abgrenzung von gewerblichen Hilfsarbeitern der Gewerbeordnung, ökonomisch ist keine Spur von Selbständigkeit vorhanden und sind die Schleifer in der Regel nichts anderes als Hilfsarbeiter von Lieferanten oder Exporteuren. ' Man findet unter ihnen alle die Differenzirungen, welche die Theorie für ausserhalb der Gewerbeordnung stehende Arbeiter aufgestellt hat, theils mehr oder minder genau von einander getrennt oder in einander über­gehend, mehrere Formen mit einander combinirt und je nach der Zeit der geschäftlichen Conjunctur und Art der gangbaren Waare bei denselben Personen wechselnd.

Sucht man die in der Gablonzer Glas-Industrie und hier speciell die in der Schleiferei beschäftigten Arbeiter theoretisch in Kategorien einzutheilen, so sind zunächst die eigentlichen Fabriksarbeiter zu er­wähnen, wie sie z. B. in den Fabriken der Firmen Ed. Dressier, Gebrüder Feix, Jakob H. Jeiteles Sohn, W. Klaar, Gebrüder Mahla, Joh. Umann im Accordlohne arbeiten. Diesen gegenüber stehen nun die