Nach Ueberwindung unsäglicher Schwierigkeiten gelang es im Jahre 1885, einen autonomen Zoll­tarif zu schaffen, der als Basis für abzuschliessende Vertragstarife unsere Industrie gegen die des Aus­landes zu schützen, unseren heimischen Markt der heimischen Arbeit zur Versorgung zuzuführen berufen sein sollte. Erst die mit dem Deutschen Reiche und Italien geschlossenen Verträge vom Jahre 1890 gaben unserer Zollpolitik durch ihre zwölfjährige Giltigkeit eine grössere Stabilität, ohne es zu ermög­lichen, alle Unterschiede auszugleichen, da die Meistbegünstigungsclausei auch allen jenen Staaten die Vortheile der Vertragstarife gewährte, ohne hiefür Gegenconcessionen zu erlangen.

Ausser dieser ausländischen Concurrenz hat die österreichische Eisen-Industrie in den letzten 20 Jahren unter derjenigen Ungarns zu leiden gehabt.

Während unser Eisenexport nach den Balkanländern früher unser ausschliessliches und ergiebigstes Exportgebiet bildete, wurde infolge der Maassnahmen der ungarischen Regierung der Zollkrieg mit Rumänien entfesselt, die Verhältnisse mit Serbien und Bulgarien verbittert. Der Export nach diesen Ländern gieng infolgedessen rapid zurück und konnte durch die mit diesen Staaten nach jahrelangen Verhandlungen abgeschlossenen Handelsverträge des Jahres 1890 nicht mehr zur alten Höhe zurück­gebracht werden. Weiters hat die ungarische Regierung durch weise handeis- und namentlich verkehrs­politische Maassnahmen, durch Steuerbefreiungen, welche sie neu zu errichtenden Industrialien gewährte, endlich durch die Ausschliessung unserer Fabrikate von dem Mitbewerb bei ungarischen staatlichen und privaten Aufträgen unsere Ausfuhr an Eisen, Eisenwaaren und Maschinen nach Ungarn ganz enorm ein­geschränkt und den ungarischen Eisenconsum der eigenen Industrie überantwortet.

Unter solchen Umständen ist es wohl natürlich, dass der Export an Eisen und Eisenwaaren immer zurückgehen musste.. Trotz des Zollschutzes kaum im Stande, das Absatzgebiet im eigenen Lande zu behaupten, wie konnte die Eisen-Industrie darauf rechnen, mit ihren Erzeugnissen im Auslande, wo sie dieses Schutzes nicht theilhaftig war, concurriren zu können?

Um diesen Kampf gegen die ausländische Concurrenz im Inlande energischer zu führen, namentlich um die Devalvirung der Preise der einzelnen inländischen Werke zu verhüten, wurde ein Productions- Cartell der Eisenwerke gegründet und hiedurch Production und Consum in Einklang gebracht, Preis- schleudereien vermieden und die Marktverhältnisse consolidirt.

Wir haben schon in der Besprechung der Bergbau-Industrie des Vereines der Montan-, Eisen- und Maschinen-Industriellen in Oesterreich gedacht, jenes Vereines, welcher zur Wahrung der wirtschaft­lichen Interessen dieser Industriezweige im Jahre 1875 gegründet wurde. Dieser Verein hat in allen Fragen der Zoll-, Handels-, Verkehrs- und Steuerpolitik der letzten 25 Jahre seinen maassgebenden Einfluss auszuüben verstanden und zur Kräftigung und Consolidirung unserer industriellen Verhältnisse wesentlich beigetragen.

Ungeachtet der mannigfachen Schwierigkeiten hat sich die österreichische Eisen-Industrie in den letzten 50 Jahren mächtig entwickelt und ist ein namhafter Theil unserer gesammten Wirthschaft geworden.

In technischer Hinsicht, dank des auf Bergakademien ausgebildeten Beamtenstandes, hat sie keinen Vergleich mit dem Auslande zu scheuen, bezüglich der Qualität der Producte ist sie nur von einigen wenigen ausländischen Productionsgebieten erreicht, sie bildet den Grundstock für unsere Maschinen- und Waffen-Industrie und nur ungünstigere handeis- oder zollpolitische Maassnahmen vermöchten einen neuerlichen Rückschlag herbeizuführen und die Entwicklung aufzuhalten.

Diese Entwicklung ist gewährleistet durch das stetige Steigen des Eisenconsums, denn immer neue Gebiete wenden sich dem Eisenverbrauche zu und eröffnen neue und vermehrte Absatzmöglichkeit.

Die Gross-Industrie. II.

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