DEUTSCH-OESTERREICHISCHE

MANNESMANNRÖHREN-WERKE

KOMOTAU.

as «Eisenwerk» nennt man noch heute das unterhalb der Stadt gelegene stattliche Fabrikswesen,

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welches 1871 von der ehemaligen Erzgebirgischen Stahl- und Eisenindustrie-Gesellschaft zum Zwecke der Gewinnung und Veredlung des am Abhange des Erzgebirges vorkommenden Eisensteins errichtet wurde, dessen Betrieb jedoch angesichts fortwährender Misserfolge und unüberwindlicher Schwierig­keiten bereits im Jahre 1875 eingestellt werden musste, womit nicht nur für die Unternehmung, sondern auch für die Stadt und die Arbeiterschaft von Komotau und Umgebung bedeutende Verluste und herbe Enttäuschung naturgemäss verbunden waren. Viele Jahre hindurch blieben die prächtigen Arbeitsräume verein­samt, und immer mehr schwand in der folgenden Zeit allgemeinen Darniederliegens der Industrie die Hoffnung, dieselben jemals wieder als eine Heimstätte frischer Unternehmungslust, als eine Quelle des Erwerbes für fleissige Hände belebt zu sehen, bis Ende der Achtzigerjahre zur Ausbeutung einer epochemachenden Erfindung deutscher Ingenieure eine Capitalistengruppe das Etablissement erwarb und in demselben nach Vornahme der erforder­lichen Umgestaltung, zunärchst der inneren Einrichtung, unter der Firma «Mannesmannröhren-Walzwerk Komotau» die Fabrication nahtloser Stahlrohre nach der Erfindung der Gebrüder Mannesmann aufnahm.

Nahtlose Stahlrohre an sich gehörten zwar damals schon in den Bereich des Bekannten, jedoch boten die Methoden ihrer Herstellung derartig grosse Schwierigkeiten und erforderten so enorme Kosten, dass, ab­gesehen von den sehr engen Grenzen, die der Entwicklung derselben gezogen waren, an eine praktische Nutz­barmachung für das Gebiet der Handelsröhren nicht gedacht werden konnte.

Aber gerade dieses letztere versprachen die den Gegenstand des neuen Unternehmens bildenden Patente: denn während bis dahin nahtlose Rohre nur durch Ausbohren massiver Blöcke und nachheriges Ausziehen des so gewonnenen kurzen Rohres oder durch Stanzen von Blechen hergerichtet werden konnten, sollten dieselben nach dem neuen patentirten Verfahren in beliebigen Längen und Abmessungen mittelst eines eigenartigen Walz­apparates nahtlos aus dem massiven Metallblock gewalzt werden.

Diese vielversprechende Erfindung theilte indessen mit mancher ihrer Vorgängerinnen den Mangel an prak­tischer Ausbildung, der sich um so empfindlicher gestaltete, als die Gewinnung der erforderlichen Hilfsmittel überwiegend das Ergebnis noch erst zu sammelnder Erfahrungen sein musste, ein Umstand, der sich durch die völlige Neuheit des Gegenstandes erklärt.

Auf Grund der im Laufe der Zeit sich Bahn brechenden Erkenntnis dieser Sachlage konnte man sich ferner der Wahrnehmung nicht verschliessen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel der Gesellschaft bei weitem nicht genügten, um das Unternehmen so zu entwickeln, dass es Aussicht auf Lebensfähigkeit erlangte.

Dieser Tbatsache trug das Consortium Rechnung, indem es sich einer anfangs 1890 in Berlin gebildeten mächtigen Bankgruppe, die zur Ausbeutung der Mannesmannschen Erfindung ein bedeutendes Capital bereit­stellte, anschloss und das Komotauer Walzwerk liquidirte, um es unter dem Titel der am 16. Juli 1890 zu Berlin gegründeten Actiengesellschaft «Deutsch-Oesterreichische Mannesmannröhren-Werke» wieder neu ent­stehen zu lassen.

Nunmehr wurde zum Um- und Ausbau des Werkes, von welchem eine Abbildung beigefügt ist, nach Maassgabe der ins Auge gefassten Grossfabrication geschritten. Doch sollte es erst späteren Jahren Vorbehalten bleiben, hierin zu jener Vollkommenheit zu gelangen, in der sich heute das Ganze präsentirt. Dies gilt insbeson­dere von der maschinellen Ausstattung, von der Anordnung der Walzapparate und der sämmtlichen Arbeits­stätten sowie Arbeitsmaschinen, die das Rohr bis zu seiner Herrichtung für den bestimmten Zweck zu durch­laufen hat.

Das neue Fabricationsverfahren erforderte naturgemäss neue, durch Patente geschützte Maschinen, und in den Eigenheiten desselben ruhten die grossen Constructions- und Herstellungsschwierigkeiten, mit denen lange

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