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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Zweiter Band
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J. GASTERSTAEDT

ELEKTROCHEMISCHE PLATTIRANSTALT UND METALLSCHLEIFEREI

WIEN.

as heute im ausgedehntesten Betriebe befindliche und mustergiltig eingerichtete Etablissement der Firma J. Gasterstaedt wurde vor beiläufig 25 Jahren von Julius Kälmar (gegenwärtig Besitzer einer grossen Kunstbronzenfabrik in Wien) in ziemlich bescheidenen Dimensionen gegründet. Aus Kälmars Händen, welcher sich später fast ausschliesslich der Kunst-Industrie zuwandte, überging die Anstalt an den jetzigen Inhaber der Firma Bernhard Löwy, welchem es Vorbehalten war, die­selbe auf ihre heutige Höhe zu bringen, freilich mit bedeutenden Opfern an Zeit und Capital und unter namhaften technischen Schwierigkeiten, welche wohl begreiflich erscheinen bei einer Industrie wie der elektrotechnischen, deren wissenschaftliche Basis erst eine Errungenschaft der neueren und neuesten Zeit ist und welche auch in elektro­chemischer Hinsicht kaum erst ihren Entwicklungsprocess abgeschlossen hat.

Die elektrochemische Anstalt J. Gasterstaedt beschäftigt sich mit Galvanostegie und Galvanoplastik im Grossbetriebe, also mit der Herstellung der verschiedenartigsten elektrolytischen Metallüberzüge und Niederschläge in allen Nüancirungen und Stärken, bis zu vollständig plastischen Nachbildungen. Das Etablissement verwendet als Elektricitätsquelle einen sinnreich und compendiös gebauten Transformator. Es ist dies ein Elektromotor in der Stärke von 2 HP, der an eine mit einem Schaltbrette versehene Dynamomaschine von 200 Ampère gekuppelt ist. Man kann die Schaltung für Bäder, welche 4 Volt, und für Bäder, welche 8 Volt benöthigen, vornehmen. Der nicht gebrauchte Strom wird in einen sehr guten modernen Accumulator geleitet, welcher dann auch bei Nacht den nöthigen Strom liefert. Die Anstalt hat nämlich Tag- und Nachtbetrieb. Bei Nacht wird eben nur der Accumulator entladen, und es ist deshalb auch nicht das geringste Geräusch vernehmbar, was für die An­rainer von grosser Annehmlichkeit ist. Stromquelle (Maschinen) und galvanoplastische Apparate sind stets von einander getrennt. Die Einrichtung der letzteren stützt sich auf die besten Erfahrungen in allen Details der Processe.

In der Specialabtheilung für Galvanostegie, das Ueberziehen von Gegenständen mit zusammenhängen­den, festhaftenden Metallschichten, sind eigene Arbeitsräume für das sogenannte Decapiren der Gegenstände ein­gerichtet. In denselben werden die Metallobjecte auf mechanischem oder chemischem Wege (durch Beizen) mit der für die Galvanostegie unerlässlichen chemisch reinen, blanken Oberfläche versehen. Sehr wichtig ist nament­lich die Vorbehandlung mit Säuren. Das Säuregemisch oder die Brenne, wie der technische Ausdruck hiefür lautet, soll allerdings Staub, Fett, Oxydschichten, überhaupt Unreinigkeiten jeder Art vollständig entfernen, darf aber nicht den Gegenstand selbst angreifen. Eine Sehenswürdigkeit bildet die Brenne des Etablissements, welche nach der Angabe des Inhabers der Firma B. Löwy ausgeführt ist. Diese Brenne hat so sinnreich angebrachte Abzugskamine für die schädlichen Gase, dass die Arbeiter, unbeschadet ihrer Gesundheit, in bester Luft arbeiten können.

Die Anstalt besitzt eine eigene, besonders praktisch eingerichtete Schleiferei, welcher ein Elektromotor von 10 HP die nöthige Kraft liefert. Im ganzen Etablissement wird überhaupt nur Elektricität als Motor benützt. In der Schleiferei werden 11 Doppelspindeln von 22 Schleifern betrieben. Ein Dampfkessel mit Filzschen Röhren liefert die für die verschiedenen Arbeiten nöthigen Temperaturen, während ein praktischer Trockenofen aus Cha- motte Tag und Nacht eine Temperatur von ca. 8o° Celsius hält, um Gegenstände rationell austrocknen zu können.

Vorzüglich eingerichtet ist die Abtheilung für galvanische Vergoldung und Versilberung; ihre Leistungen, gestützt auf jahrelang fortgesetzte Betriebserfahrungen, dürfen als unübertroffen gelten, sowohl hinsichtlich des Aussehens, wie auch der festen Cohäsion, Dauerhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit. Das Etablissement wendet heisse Goldbäder an, weil beim Erkalten die Partikelchen der Golddecke in noch festere Cohäsion treten. Gold­niederschläge gelangen in allen nur erdenklichen Farbennuancen zur Ausführung: röthliche in kupferhältigen, grünliche in silberhaltigen und hellgelbe in cyanisirten Goldbädern, selbst rosenrothe Golddecken in prachtvollen Metalltönen aus silber- und kupferhältigem Goldbad. Eine specielle Technik ermöglicht es auch, diese einzelnen

Die Gross-Industrie. II.

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