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DIE OESTERREICHISCHE SEIDENZEUG-INDUSTRIE. 1 )

ielleicht die bemerkenswertheste Erscheinung in der Geschichte unserer modernen öster­reichischen Seidenmanufactur während der letzten fünfzig Jahre ist die fast durchgehends zu constatirende Auswanderung der erbgesessenen Altwiener Fabriksfirmen in provinziale Industriebezirke. Diese Decentralisation und Veränderung der Betriebsstätten ist aber keines­wegs eine blos zufällige Erscheinung. Ja, sie ist als wirthschaftliches Symptom für die jüngste Epoche dieser edlen Manufactur umso charakteristischer, als Wien Jahrhunderte hindurch die ausschliessliche Metro­pole, Sitz und Pflegestätte unserer vaterländischen Seidenwaaren-Erzeugung gewesen ist.

In der That: Die gesammte inländische Seidenmanufactur, ebenso auch alle ihr dienlichen und nahestehenden Gewerbe waren einstmals specifisch wienerische Industriezweige. Auf Wiener Boden ent­standen zuerst jene, wenn auch fehlgeschlagenen, so doch denkwürdigen und höchst bedeutsamen Ver­suche eines fabriksmässigen Betriebes der Seidenmanufactur, welche der Chef der Hofkammer 2 ) unter Kaiser Leopold I., Ludwig Graf Sinzendorf, im Vereine mit einem »nützlichen Gelehrten« seiner Zeit, dem churbayerischen Rathe Dr. Johann Joachim Becher, unternommen hatte.

Und so ist die inländische Seidenmanufactur dem Wiener Boden auch in der Folgezeit stets unentwegt treu geblieben, volle zwei Jahrhunderte hindurch, während ihrer ganzen aufsteigenden Ent­wicklung bis in die gefeierten Blüthenzeiten des »Brillantengrundes«.

Diese Verhältnisse behaupteten sich ungestört bis über 1848 hinaus. Zu Beginn der Fünfzigerjahre trat jedoch mit einemmale ganz unvermittelt eine für die gesammte Textilbranche höchst fatale Wendung in der österreichischen Zollpolitik ein, welche den bisherigen Daseinsbedingungen der Altwiener Seiden­industrie fast plötzlich und nahezu vollständig den Boden entzog und einen fundamentalen Umschwung in der bis dahin üblichen Wiener Seidenmanufactur herbeiführte.

Diese Industrie hatte sich nämlich, unbeirrt durch den Wandel der Zeiten und der geschichtlichen Ereignisse, unter allen Regenten und Regierungen jahrhundertelang eines höchst ausgiebigen, fast möchte man sagen, ererbten und traditionellen Zollschutzes gegen den sehr mächtigen Wettbewerb des Auslandes zu erfreuen gehabt.

Mit den schutzzöllnerischen Traditionen wurde jedoch zu Beginn der Fünfzigerjahre, trotz mancher ernster Warnungen, plötzlich gebrochen. Erhebliche Zollreductionen hoben den weiteren Fort­bestand und Schutz der Prohibition fast gänzlich auf und so sah sich die so lange protectionistisch meist-

*) Der ausgezeichnete Verfasser dieses geschichtlichen Rückblickes, Herr Franz Bujatti sen., ist am 6. October 1897 im hohen Alter von 85 Jahren zu Hütteldorf bei Wien aus dem Leben geschieden. Eine erschöpfende Würdigung der Persönlichkeit des verewigten Altmeisters und Nestors der österreichischen Seidenfabrikanten und seiner ausserordentlichen Verdienste um diese Industrie bietet die nachfolgende Monographie der Firma »Franz Bujatti«.

2 ) Vor 1848 erledigte die »Hofkammer« alle Commerzialangelegenheiten, bis in dem genannten Jahre das Handelsministerium aus ihr hervorging.

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