doch erst 1840 konnte er an die Ausführung dieser Idee schreiten, mit deren praktischen Durchführung sich mittlerweile in- und ausländische Industrielle beschäftigten, und auf welchem Felde namentlich der Wiener Seidenzeug-Fabrikant Anton Chwalla die schönsten Resultate erzielte. Derselbe erwarb sich auch um die Einführung der Seidenzucht in Niederösterreich grosse Verdienste. Die Lösung des Problems der titrirten Seide gelang ihm in so eminenter Weise, dass er bei einem vom Niederösterreichischen Gewerbe- Vereine hiefür ausgeschriebenen Concurse, ohne concurrirt zu haben, die goldene Medaille erhielt. Auch St off ela erhielt (1843) die goldene Medaille.

Von dem eminentesten Einflüsse auf die glückliche Wiedererhebung der Seiden-Inclustrie in Oester­reich war aber auch die ausserordentliche Förderung, welche das Fachschulwesen und die gewerblichen Unterrichtsanstalten in den letzten Decennien erfahren haben.

Actenmässig wird der grossartige Aufschwung der österreichischen Seidenzeug-Fabrication während der Francisco-Josephinischen Epoche zuerst in dem officiellen Berichte der Niederösterreichischen Handels­und Gewerbekammer an das k. k. Handelsministerium constatirt.

In demselben heisst es:

»Der erste von der Wiener Handels- und Gewerbekammer im Jahre 1850 herausgegebene Bericht an das k. k. Handelsministerium führt bezüglich der Seidenzeug-Fabrication summarisch 11.000 Arbeiter (männlich und weiblich) an, und die Anzahl der im Gange befindlichen Handwebstühle mit ungefähr 9000, plus 40 selbstwebenden Stühlen. Da gegenwärtig beinahe 7000 Handwebstühle und 4000 Kraftstühle 1 ), die für Wiener Häuser arbeiten, im Gange sind, so ist jetzt die dreifache Leistungsfähigkeit von dazumal, mithin ein erfreulich grosser Aufschwung zu constatiren, welcher auch im Exporte, den diese Industrie genommen, nachweisbar ist.«

Was die Band-Fabrication anlangt, so mögen die Wiener Häuser wohl 2500 bis 3000 Bandstühle in ihren auswärtigen Fabriken beschäftigen, worunter 1800 bis 2000 mechanische zu rechnen sein dürften. Ausserdem existiren einige selbstständige Sammtbandfabriken in Nordböhmen, in Innsbruck, sowie eine mechanische Bandfabrik in Bregenz.

Wenn man dazu die Wiener Gruppe mit ungefähr 400 Mühlstühlen (Handbetrieb) rechnet, so dürfte sich die Gesammtproduction dieser Branche auf 6 bis 10 Millionen Gulden belaufen. Eine genaue Schätzung lässt sich nicht geben, da sowohl der Werth der Artikel, als auch die Leistungsfähigkeit der Arbeiter in den Provinz-Etablissements ungemein differiren.

Hier sowie in den auswärts gelegenen Fabriken werden so ziemlich alle Artikel erzeugt, mit Aus­nahme der ganz feinen, glatten und der besseren Modewaare; dagegen kommen fa^onnirte Bänder im Bauerngenre, sowie anderweitige billige Modewaare vor.

Einen von den österreichischen Fabriken mit besonderem Geschick gepflegten Artikel bildet die stückgefärbte Gregewaare, sowohl in glatt als faconnirt.

Die Posamenterie, ein in Wien sehr eingelebter Industriezweig, ist nach glaubwürdiger Ver­sicherung in der Production theilweise zurückgegangen, doch hat bei Möbeln und Einrichtungsartikeln in neuerer Zeit ein bedeutender Aufschwung stattgefunden; auch dürfte hervorzuheben sein, dass die Besatz­artikel aus seidenen und halbseidenen Schnüren, Binsen, Chenillen und dergleichen Posamentirarbeiten nahezu mit einem Dritttheil am Gesammt-Exporte participiren.

Wenn man endlich die grossen Quantitäten von Seiden- und verschiedenen anderen Textilmaterialien und deren bedeutende Werthe, welche bei der Seiden-Industrie Oesterreichs in Verwendung kommen, in Betracht zieht, dürfte mit Hinzurechnung der Arbeitslöhne, Faconnirung, Regie und des Unternehmer­gewinnes die Production der Bänder, Posamenterie, Seiden- und Halbseiden-Waaren mit jährlich 25 bis 30 Millionen Gulden zu bewerthen sein.

Wir wollen nunmehr den Versuch machen, eine Uebersicht der bisher, sowie in neuester Zeit in Oesterreich producirten Seidenwaaren zu geben.

Im grossen Ganzen wurden seit den ersten Anfängen und lange darnach in Oesterreich meistens schwere, solide Zeuge gemacht, so z. B. Sammt, Velpel, Drap dor, Drap dargent (Gold- und Silber­stoffe), Damast, Brocat, Atlas, Taflet, Tüchel u. dgl. m., wobei schon frühzeitig von Ganz- und Halb­seide die Rede ist. Es sind das Stoffe, die wenig oder gar keiner Appretur bedurften.

*) Ein Kraftstuhl wird hinsichtlich der Leistung 5 Handwebstühlen gleichgestellt.

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