Der Wiener Bandfabrikant Anton Harpke ersann nun vor Kurzem eine neue Spülmaschine speciell für Bandspülchen und liess nach seiner Idee von dem hiesigen Mechaniker F. Laubeck ein Modell bauen, welches von dem letzteren noch wesentlich verbessert wurde, indem es die Vortheile der alten A r ztschen Spindelanordnung mit einer sehr sinnreichen Vervollkommnung verbindet. Durch blossen Zufall wurde das verbesserte System »Harpke-Laubeck« in der Schweiz bekannt, wo es beifälligst Auf­nahme fand, mehrfach bestellt wurde und nun als »Schweizer Spülmaschine« in die Welt geht!

Gleichfalls sehr werthvolle Verbesserungen sind auch für die Jacquard-Maschine von Wien aus­gegangen. Namentlich war es die von Thomas Wojtech in Verbindung mit Benjamin Gericke erfundene Doppel-Jacquard-Maschine zur Ersparung des Vorderwerkes, welche Oesterreich den Ruhm sichert, bis jetzt in Betreff der Zweckmässigkeit und Einfachheit der Hilfsmaschinen das Mutterland der Jacquard- Weberei überflügelt zu haben.

Sehr bevorzugte Verwendung finden in neuester Zeit auch die ingeniösen, verbesserten Kartenschlag­maschinen von Rupert Wimmer in Wien, welche durch Dampfmotoren in Bewegung gesetzt werden.

Anstoss zur Verbesserung der Schweifrahmen (Zettelmaschine) gab schon Anfangs der Fünfziger­jahre Theodor Hornbostel, der durch vortheilhafte Abänderungen an der Haspel und den Speichen einen weit ruhigeren Gang und gleichmässigere Functionirung als bei der alten Construction erzielte.

Eine sehr wichtige und erfolgreiche Schöpfung war die Begründung einer »Seiden- und Woll- trocknungs-Anstalt« in Wien.

Schon im Jahre 1843 beschloss der Niederösterreichische Gewerbe-Verein in Folge öfterer An­regungen, eine solche Anstalt hier ins Leben zu rufen, um den häufigen Klagen über Verkürzung des Gewichts beim Seidenkauf wirksam zu begegnen, sohin auch in Wien, wie es auf den grossen Seiden­plätzen Lyon, Mailand, Turin etc. der Fall ist, eine Anstalt (Condition, Stagionatur) zur Eruirung des Handelsgewichtes nach dem System Talabot zu gründen. Die Regierung verweigerte aber dem Vereine (als statutenwidrig) die Concession; doch war es eine Folge der Initiative des Vereines, dass endlich das Gremium der Seidenzeug-Fabrikanten in Wien, die Sache ernstlich in die Hand nehmend, 1855 durch eine Gesellschaft von Seiden-Industriellen eine Seiden- und Wolltrocknungs-Anstalt unter Patronanz der Handels­und Gewerbekammer in Wien errichtete, anfänglich mit unbeschränkter Haftung unter der Firma »Siess, Spannraft & Co.«, dann vom Jahre 186g ab als Actiengesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Actienfond bestand aus einem voll eingezahlten Capitale von 31.500 fl. ö. W., in 300 Antheilen (Actien) ä 105 fl. ö.W., wovon im Laufe der Zeit 80 fl. per Actie rückgezahlt wurden, so dass gegenwärtig eine Actie nur mehr den Nominalwerth von 25 fl. besitzt und das Actiencapital 7500 fl. ö. AV. beträgt.

Die Trockenapparate wurden ursprünglich nach dem System Talabot-Persoz-Rogeat durch die freundliche Bemühung Anton Harpkes sen. aus Lyon beschafft; Messhaspeln und Präcisionswaagen sind grösstentheils in Wien angefertigt worden.

In neuerer Zeit befasst sich die Anstalt nebst der Constatirung des richtigen Gewichtes der Seide auch mit der Ermittlung der Feinheit (Titrirung), der Drehung, Filirung, Stärke, Elasticität und des abso­luten Gehaltes durch Decreusage (Abkochung).

Die in Seide vorkommenden Messungen zur Bestimmung des Feinheitsgrades sind folgende:

a) »Titolo legale«, 450 Meter mit einer Gewichtseinheit von 0-050 Gramm, d. i. 1 Gramm = 2oDeniers;

dieser Titel heisst »Turiner Titre« und wird gegenwärtig in Wien gehandhabt.

b) »Titolo milanese«, oder »alter Mailänder«, auch »Wiener Titel« genannt, hat 476 Meter mit einer

Gewichtseinheit von 0-0511 Gramm; wurde früher hier angewendet.

c) Der »Lyoner Titre« misst wie der alte Mailänder Titel 476 Meter und ist die Gewichtseinheit

0-0531 Gramm.

d) Der »internationale Titre« misst 500 Meter und ist die Gewichtseinheit, wie beim legalen Titel,

0-050 Gramm.

Die Anstalt ist seit Anfang August 1892, also im achtunddreissigsten Jahre ihres Bestandes, in dem für ihre Zwecke eigens errichteten Shedbau des Hauses, ATI. Zieglergasse 32, in jeder Beziehung sehr entsprechend im eigenen Heim untergebracht.

Auch die epochemachenden Erfindungen der Messung und Titrirung der Seide selbst sind öster­reichischen Ursprungs. Schon im Jahre 1834 stellte sich A. D. Stoffela dalla croce in Roveredo die Aufgabe, die Seide nach Art der Garne in bestimmten Längen und Nummern in den Handel zu bringen;

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