beschäftigt und hätte eine weitere Vergrösserung recht gut vertragen. Die beiden Häuser (Schottenfeldgasse 33 und Seidengasse 20) in welchen der Betrieb untergebracht war, erlaubten aber keine Ausdehnung, zudem wurden die Arbeiterverhältnisse in Wien immer schwieriger und unerquicklicher. F. Wögerer schlug seinem Schwiegervater vor, die Fabrik nach auswärts zu verlegen, beziehungsweise eine solche in irgend einem geeigneten Orte eines österreichischen Kronlandes zu erbauen und einzurichten, konnte aber den gegen so grosse und immerhin nicht gefahrlose Unternehmungen misstrauischen Fabrikanten der alten Schule absolut nicht überzeugen. Nachdem er aber die Unabwendbarkeit dieser Umwälzung immer klarer vor Augen sah, fasste er den Entschluss, das Geschäft allein zu übernehmen und seine Ideen auszuführen. Carl Bleichsteiner fand sich dazu bereit, obwohl er gegen die Ver­legung des Betriebes war, und zog sich in das Privatleben zurück, aber nicht ohne seine reichen Erfahrungen seinem Schwiegersöhne in Rath und That zur Verfügung zu stellen. Die Firma lautete fortan »Ferd. Wögerer«.

Es wurde zunächst ein entsprechender Ort gesucht und in Pilnikau-Pilsdorf, Station der österreichischen Nordwestbahn in Böhmen, unweit der Fabrikstadt Trautenau, gefunden. Entsprechende Lage nahe der Bahn, deutsche Gegend, geeignetes Grundstück und anscheinend passende Arbeitskräfte gaben günstige Anfangsbedingungen. Im Frühjahre 1872 wurde der Bau begonnen und im Herbste desselben Jahres beendet. Ein zweistöckiger Haupt- tract, Säle mit Doppellicht enthaltend, ein Seitentract, die Stiegenhäuser, Nebenräume, erforderliche Wohnungen etc. bergend, Kessel- und Maschinenhaus, sowie die entsprechenden Nebengebäude wurden aufgeführt. Gleich nach Vollendung der Baulichkeiten wurde mit der Einrichtung begonnen. Kessel und Betriebsmaschine, sowie die erfor­derlichen Vorbereitungsmaschinen und Webstühle wurden aufgestellt. Alles kam aus Wien, bis auf einige Maschinen, welche aus dem Auslande bezogen werden mussten. Die diversen Montirungen wurden von mitgebrachten Hand­werkern besorgt, und am 1. Jänner 1873 konnte das Werk zum erstenmale in Gang gesetzt werden.

Inzwischen war auch die verhältnismässig schwierigste Arbeit, nämlich die Heranbildung geeigneter Arbeits­kräfte, begonnen worden. Der Director Josef Krottner, dessen Frau, zwei Werkmeister und einige wenige Hilfs­arbeiterinnen, sämmtliche aus Wien, theilten sich in die Unterweisung der zumeist weiblichen Arbeitskräfte und hatten mit enormen Hindernissen zu kämpfen, da die schwierige Behandlung des Seidenfadens den für feinere Arbeiten ungeübten Händen der Leute nur sehr langsam geläufig wurde. Durch unausgesetzte Bemühungen, unter­stützt von dem Eifer der Leute, welche in der Seidenweberei eine weit angenehmere und lohnendere Thätigkeit erkannten, als in den wenigen Flachsgarnspinnereien und Papierfabriken der dortigen Gegend zu finden war, bildete sich sehr rasch ein allerdings noch kleiner Arbeiterstock und die Fabrik begann gelungene Erzeugnisse zu liefern. Die Production stieg immer mehr, und es konnte schon die Weltausstellung zu Wien im Jahre 1873 beschickt werden. Die ausgestellten Waaren wurden mit einer Medaille prämiirt.

Die Fabrik arbeitete nach und nach immer stärker, und ihr Chef hatte die freudige Genugthuung, die erfolgreiche Verwirklichung seiner Ideen zu erblicken. Er zersplitterte nicht seine Kraft durch Erzeugung vieler verschiedenartiger Artikel, sondern suchte in einigen wenigen möglichst gross zu werden. So verlegte er sich auf glatte schwarze, auch etwas färbige Waaren, mit welchen er namhafte Erfolge erzielte. Er trachtete auch seinen Absatz mehr zu concentriren, cultivirte immer weniger die Provinz und Detailkundschaft, gestaltete aber dafür die Ver­bindung mit einigen Wiener Grosshandlungshäusern ungemein lebhaft.

Bald war die Fabrik zu klein und es musste an eine Vergrösserung gedacht werden. Vom Jahre 1880 an entstanden fast in jedem zweiten Jahre Zu- und Neubauten. Ferdinand Wögerer leitete jeden Bau selbst und sah dabei auf solideste, gediegenste Ausführung. Die Websäle wurden vergrössert, die erforderlichen Räume für Vorbereitungsarbeiten neu aufgeführt, was naturgemäss auch den Bau von Nebenräumen, Magazinen und einer Appretur bedingte. Ferner wurden Beamten- und Ar beiter Wohnungen nothwendig, welche in eigenen Häusern untergebracht wurden.

Die erforderlichen Maschinen und Webstühle baute das Etablissement mit Hilfe seiner Schlosser- und Tischlerwerkstätten, an deren Spitze Wiener Fachleute standen, selbst, und versorgt sich noch heute mit allen der­artigen Arbeiten, ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. So entstand mit der Zeit eine umfangreiche, stattliche Fabriksanlage modernster Einrichtung und von hoher Leistungsfähigkeit.

Mit der zunehmenden Ausdehnung des Etablissements entschloss sich dessen Chef, die Leitung selbst zu über­nehmen und verlegte seinen ständigen Wohnsitz nach Pilnikau. Mit richtigem Blick hatte er auch die Vortheile, welche die elektrische Beleuchtung für Fabrikräume bietet, erkannt, und errichtete im Jahre 1884 eine Beleuchtungs­anlage, eine der ersten in den Fabriken Oesterreich-Ungarns. Die Innenräume sind mit Glühlicht, die Hofräume mit Bogenlicht erleuchtet. Für die elektrische Beleuchtung arbeitet eine Dampfmaschine ausschliesslich.

Neben der fortwährenden angestrengten Thätigkeit für die Erweiterung des Etablissements, leitete Ferdinand Wögerer mit unermüdlichem Eifer die Fabrication, besorgte grösstentheils den Einkauf des Rohmateriales selbst und überwachte den Verkauf. Das Verhältnis zu den Angestellten und Arbeitern war von jeher das denkbar beste, und bisher ist kein Fall einer wie immer gearteten Unzufriedenheit im Personale zu verzeichnen. Von den Angestellten blicken einige auf eine mehr als 20jährige, einige sogar auf eine mehr als 40jährige Dienstzeit zurück; viele, darunter auch Arbeiter, gehören 1015 Jahre dem Hause an. Alle hiengen in Liebe und Verehrung an ihrem Chef, bis der Tod denselben in den besten Jahren seines an Arbeit so reichen Lebens am 1. Februar 1893 plötzlich abberief.

Das Geschäft wurde von den beiden Söhnen Victor und Carl übernommen und unter der Firma »F. Wögerers Söhne« fortgeführt. Der Erstgenannte trat im Februar des Jahres 1896 aus der Firma aus, während der Letztere die Fabrication nunmehr als alleiniger Chef fortbetreibt.

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