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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Vierter Band
Entstehung
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ihre spätere, ungeahnt rasche Blüthe ermöglichen sollten. Wollenzeugfabriken grösserer Ausdehnung wurden insbesondere 1765 in Brünn, in den Sechzigerjahren in Bielitz von Karl Anton Mänhart, 1768 von Johann Röckert in Fulnek, 1768 von der königlichen Stadt Mähr.-Neustadt gegründet. Die erste Tuchfabrik in Mähren begründete Johann Heinrich Reichel in Olmütz im Jahre 1752; dieselbe hatte jedoch trotz der grossen Privilegien und Begünstigungen keinen längeren Bestand. Im Jahre 1765 gründete die Regierung mit grossem Aufwande in Brünn in der Vorstadt grosse Neugasse eine Feintuchfabrik, deren Leitung Handelsleuten, unter denen Johann Leopold v. Köffiler insbesondere hervorragte, anvertraut wurde. Die Unternehmer erhielten Betriebscapitalien, später unter Nachsicht der Interessen, vorgestreckt, und empfiengen in jeder Beziehung die Unterstützung der Regierung. Köffiler versah sich mit einem Stabe tüchtiger, in der Tuch-Industrie bewährter Männer, die er vom Niederrheine kommen liess. Es ist bemerkenswerth, dass die neue Blüthe der Tuchmacherei in Brünn und Iglau, welche von diesen Bemühungen ihren Ausgang nehmen sollte, wiederum mit dem Stammlande der Tuchmacherei, den Gebieten des Niederrheins in Verbin­dung steht, welche einst die flämischen Ansiedler und Tuchmacher in die Sudetenländer entsendet hatten. Bartholomäus Seitter, Johann Heinrich Offermann, W. Bräunlich, Johann Christian Grave, Johann Christian Loxin und Friedrich Hopf, durchwegs Rheinländer und Protestanten, waren die hervorragenden Angestellten des Unternehmens, an welche sich auch eine geschulte Arbeiterschaft angeschlossen hatte. Seit dieser Zeit nahm die Feintuch-Fabrication einen hohen Aufschwung und wurde im Jahre 1780 an Johann Leopold v. Köffiler vollständig übergeben mit der Bedingung, das Unternehmen noch durch 12 Jahre auf 60 Stühlen fortzu­betreiben. Die Zahl der Stühle stieg auf 120 im Jahre 1786, die Zahl der beschäftigten Personen auf mehr als 2000, für welche Köffiler, an seine Fabrik anschliessend, nach dem Cottagesysteme 44 Arbeiter­häuser, die noch heute die rothe Gasse in Brünn bilden, anlegte. Insbesondere im Auslande erlangte die P'abrik, die ausserordentlich viele Bestellungen selbst aus der Türkei und Russland erhielt, grosses Ansehen. Im Jahre 1781 besuchte Kaiser Josef II. die Fabrik, deren Einrichtungen seine volle Befriedigung erregten. Eine Gedenktafel erinnert noch heute an den grossen »Kenner und Förderer der Fabriken«.

Die zweite Tuchfabrik in Brünn gründete Wilhelm Mundy, der als armer Arbeiter in den Siebziger­jahren nach Brünn gekommen war und Dank der Gunst der Verhältnisse sich so rasch emporschwang, dass er schon im Jahre 1789 von Kaiser Josef II. durch Verleihung des Freiherrnstandes ausgezeichnet wurde. Im Jahre 1786 gründeten die Beamten der Ivöffilerschen Fabrik, Heinrich Hopf und Johann Gottfried Bräunlich, die dritte Fabrik, deren Etablissement den Grundstock des späteren Unternehmens der Firma Gebrüder Schoeller bildete; im selben Jahre errichtete Johann Heinrich Offermann die vierte Fabrik, die noch heute als die einzige aus dieser Gründungszeit der Brünner Tuchfabrication unter der alten Firma in altem Rufe und bewährter Leistungsfähigkeit fortbesteht.

Neben den Brünner Fabriken bestand zu jener Zeit nur noch die Waldsteinsche Fabrik in Ober­leutensdorf in Böhmen und die v. Diessche in Klagenfurt, neben welch letzterer erst 1789 die Fabrik der Brüder Moro in Viktring bei Klagenfurt erstand.

In Brünn zehrten die jüngeren Unternehmungen an dem Marke der Ivöffilerschen Mutterfabrik, die im Jahre 1791 in Concurs gerieth.

Josef Christian Biegmann, ein Niederländer aus Montjoie, Heinrich Schmal, die beide aus Köffilers Fabrik stammten, Leidenfrost, Matthias Seitter, Anton Ivusina, Paul Turetschek u. A. errichteten sodann in Brünn, dessen Producte dem Bedarfe nicht mehr genügen konnten, grosse Fabriken. Gegen die Neige des Jahrhunderts standen in Brünn gegen 500 Stühle im Betriebe, welche mit Weben und Spinnen gegen 16.000 Personen in Nahrung setzten. In Mähren zählte man 1797: 3018 Tuchmachermeister, 1142 Ge­sellen, 1767 Gehilfen und Lehrjungen und ungefähr 22.220 Wollspinner und Helfer. Im Jahre 1804 be­rechnete Johann Andree nach genauen Erhebungen und Aufstellungen die Zahl der Weber und Helfer mit 12.400, die der Spinner mit 76.000, der Vor- und Nacharbeiter mit 20.000.

Zu einer Zeit, als in Brünn die fabriksmässige Erzeugung der Schafwollwaaren bereits einen hohen Aufschwung genommen hatte, wurde in Reichenberg die erste Fabrik begründet. Mit dem Decrete vom 6. November 1798 erhielt der Prager Kaufmann Johann Georg Berger, dem Römheld als Com- pagnon zur Seite stand, nach hartem Kampfe mit der Zunft das Privilegium einer Tuchfabrik in Reichen­berg, von welcher die glänzende industrielle Entwickelung dieser Tuchmacherstadt ihren Ausgang nahm.

1802 baute der Tuchmachermeister Franz Ulbrich die zweite Tuchfabrik, und im selben Jahre er­richtete der Vorsteher der Zunft, Gottfried Möller, eine grosse Appreturanstalt.