Watt, auf den Stepanauer Eisenwerken Mährens construirt, aufgestellt. Diese Maschine war von geringerem Werthe und wurde weit überholt durch die von Johann Heinrich Offermann 1818 von Topham in London erworbene Dampfmaschine, die jedoch bei der geringen Zahl von Pferdekräften weniger leistungsfähig war. Die Firma Gebrüder Schoeller stellte in ihrem Etablissement eine von Cockerill selbst montirte Niederdruck-Dampfmaschine, die erste in Oesterreich, auf, führte gegen das Ende der Zwanzigerjahre die Gasbeleuchtung ein und erwarb sich ein besonderes Verdienst durch stete Verbesserung der Rauherei. Die neue, durch die technische Entwickelung herbeigeführte und durch Regsamkeit, Fleiss und Tüchtigkeit der Eirmeninhaber gesteigerte Leistungsfähigkeit der Industrie in Brünn brachte ihren Producten neue Beliebtheit und grossen Absatz. Zu den Artikeln des Brünner Platzes hatte sich der von der Firma Seitter eingeführte Satin-Cloth gesellt, welcher insbesondere als Massenconsumartikel nachhaltigen, starken Absatz fand. Dem Bedürfnisse der Fabriken nach Garn konnten die bestehenden Lohnspinnereien kaum mehr genügen. So kam es zur Gründung der ersten auf vollkommen capitalistischer Basis aufgebauten und überaus leistungsfähigen Lohnspinnerei durch Hubert Soxhlet, an dessen Seite die Söhne Felix und Eugen, die späteren Leiter des Unternehmens, wirkten. Zunächst in dem Gebäude der alten Köffilerschen, später Schmalschen Fabrik eingerichtet, übersiedelte diese Spinnerei, als dieses immerhin sehr bedeutende Fabriks­gebäude auch nach erfolgter Erweiterung nicht mehr genügte, in ihr eigenes Fabriksgebäude, das in einer solchen Vollkommenheit und in dem Umfange angelegt wurde, dass es noch heute, im Besitze der Firma Josef l'euber & Söhne, der Nachfolger seiner Begründer, allen Anforderungen in vollstem Maasse genügt. Im Jahre 1834 wurde eine Dampfmaschine von 12 Pferdekräften und im Jahre 1838 bereits eine zweite von 14 Pferdekräften aufgestellt.

Im Jahre 1841 war das Etablissement Soxhlets schon das grossartigste Unternehmen seiner Art am Continente; es zählte mehr als 20.000 Spindeln und beschäftigte 830 Arbeiter. Im Jahre 1855 war es mit einer Anzahl von 35.000 Spindeln das grösste und leistungsfähigste Unternehmen der Branche in Europa.

Die Brünner Industrie fand gegen das Ende der Zwanzigerjahre einen harten Concurrenten in Reichenberg, dessen Erzeugnisse durch ihre Billigkeit und ihre bessere Appretur starken Anwerth fanden. Die Verbesserungen in der Fabricationsmethode wurden auch hier aufgenommen. Im Jahre 1826 wurde die erste Jacquard-Maschine durch Ignaz Posselt aufgestellt; im maschinellen Betriebe wurde insbesondere der Appretur das lebhafteste Augenmerk geschenkt. Das Wassergefälle der schwarzen Neisse und der ihr zufliessenden Bäche wurden im höchsten Maasse durch Wasserwerke aller Art ausgenützt. An dieser Blütheperiode der Reichenberger Tuch-Industrie hatte das zünftige Tuchmachergewerbe noch den aller­grössten Antheil.

Landesbefugte Tuchfabriken betrieben die Brüder Demuth, A. Prenkler & Söhne; Erzeuger im grösseren Style waren Wilhelm Siegmund, Gottfried Hartig und A. Thum. Es gab 1820 schon 1017 Tuch­machermeister mit 445 Webstühlen, deren Erzeugung einen Werth von 2,828.600 fl. hatte. Im Jahre 1826 zählte man 1150 Meister mit 585 Webstühlen und einer Erzeugung im Werthe von 3,545.705 A- Die Er­zeugung der Tuchfabriken repräsentirte einen Werth von 381.710 fl. Im Jahre 1832 gab es 1175 Tuch­machermeister mit 15.000 Stühlen. In der Spinnerei zählte man 51.000 Spindeln. Der Werth der jähr­lichen Erzeugung belief sich auf 4,710.000 fl. Die Firma Siegmund, Neuhäuser & Co. setzte Feintücher im Werthe von 560.000 fl. ab, da auch ausser dem Fabriksbetriebe für ihre Rechnung Waare erzeugt und von ihr appretirt wurde. Im Jahre 1841 stieg die Zahl der Tuchmachermeister auf 1300, welche an 1400 Webstühlen 70.000 bis 80.000 Stücke im Werthe von 7,000.000 fl. erzeugten. Sieben Achtel der Erzeugung entfielen dabei auf die Mitglieder der Zunft, welcher allerdings auch Meister angehörten, deren Betrieb eine fabriksmässige Ausdehnung gewonnen hatte.

Seit den Zwanzigerjahren hat die Erzeugung der Schafwollzeuge in die Reichenberger Gegend Eingang gefunden. Die Firma Johann Liebieg betrieb diese Production im grossartigsten Maassstabe, so dass die Fabrik bald die grösste der ganzen Monarchie wurde. Im Jahre 1831 beschäftigte sie gegen 3000 Stühle und 7000 bis 8000 Arbeiter. In der Fabrik selbst waren 30 mechanische Webstühle im Betriebe, nebst 200 Handwebstühlen. Ihre Erzeugnisse hatten einen Gesammtwerth von 2 Millionen Gulden. Die nordböhmischen Städte Friedland, Grottau, Gablonz entwickelten sich gleichzeitig zu Stätten einer be­triebsamen Tuchfabrication, die auch in den Gegenden um Humpoletz und Polna, Neuhaus, Wildenschwert, Krumau, Neubistritz und anderen Städten allerdings fast ausschliesslich im Kleinbetriebe zur Blüthe kam.

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