Die Oberleutensdorfer Fabrik stand im Betriebe der Firma Römheld & Co.; in Senftenberg wurde im Beginne der Vierzigerjahre durch Vonwiller eine rasch aufblühende Fabriksstätte gegründet.
Nebst dem inländischen Markte waren Italien, die Schweiz und die Levante die wichtigsten Abnehmer der böhmischen Woll-Industrie, insbesondere Reichenbergs, das sich trotz aller Schwankungen des Absatzes durch den Unternehmungsgeist seiner Erzeuger und Kaufleute lohnende Verbindungen zu erhalten wusste. Im Jahre 1841 erzeugte die gesammte Schafwoll-Industrie Böhmens, einschliesslich der Wirkwaaren, Waaren im Werthe von 16,820.000 fl.
In Brünn hatte, nicht zum mindesten unter der Concurrenz Reichenbergs, die Tuch-Industrie sehr gelitten und empfindliche Krisen zu bestehen, bis ihr in der Mitte der Dreissigerjahre die allgemein auftretende Aenderung der Geschmacksrichtung zur Hilfe kam, welche gemusterter billiger Modewaare überall Eingang schaffte. Dem Begehren nach Modestoffen wusste die Brünner Production sich rasch anzuschmiegen. Den Hauptmarkt für seine Modewaare fand es in Italien und insbesondere in Wien, welches durch die seit dem Jahre 1835 bestehende Dampf-Eisenbahnverbindung — die erste der Monarchie — überaus nahegerückt war. Diese Eisenbahnverbindung, durch die Brünn zu billigen und geschulten Arbeitskräften gelangte, gab ihm einen Vorsprung, den es auch zu behaupten wusste. Insbesondere kam aber der Bestand der grossen Lohnspinnerei Soxhlet, an welche sich die Spinnereien von Josef Keller und Eduard Leidenfrost anschlossen, der Industrie zu statten, da hiedurch die für die Modestoffe-Fabrication unbedingt noth- wendige Voraussetzung des raschen und ausreichenden Bezuges von Garnen gesichert war. Gewiss trug aber jetzt, wie auch noch in der nächsten Periode der Tuch-Industrie, zu ihrer Erstarkung wesentlich bei, dass die systematische Schafzüchtung Oesterreich geradezu zum ersten Productionsgebiete der Schafwolle erhoben hatte. Die Firmen Gebrüder Schoeller, Johann Heinrich Offermann, Bochner, Steinbach, Daberger, Gebrüder Popper, Brüder Strakosch sind es, welche der Modestoff-Fabrication mit vollem Erfolge sich zuwendeten, während die Unternehmung der Firma L. Auspitz, heute L. Auspitz Enkel, ihre Specialität in der Erzeugung hochfeiner schwarzer Waare suchte, fand und unbestritten noch bis in die Gegenwart behauptet.
Gegen das Ende der Dreissigerj ahre waren Jacquardstühle eingeführt und zuerst bei Offermann und Schöll aufgestellt worden. Die Zahl der Dampfmaschinen belief sich bereits im Jahre 1841 auf 24 mit 262 Pferdekräften, eine Zahl, der keine Stadt Oesterreichs gleich kam. Die Tuch-Industrie Brünns beschäftigte 18.300 Personen. Neben den Fabriken nahm aber auch die Zahl der Kleinerzeuger ausserordentlich zu, auf welche, mit ihrer Anzahl von 456 Gewerben, noch immer mehr als drei Viertel der Gesammtproduction des Platzes entfiel. Die Wollwaaren-Production Brünns erzeugte im Jahre 1841 Waaren im Gesammtwerthe von 13,289.000 fl. Eine der hervorragendsten Tuchfabriken war die im Jahre 1796 in Namiest durch den Grafen Haugwitz und den Freiherrn v. Puthon begründete Feintuch-Fabrik, deren in einem technisch vollkommen eingerichteten Etablissement hergestellte Producte 1841 einen Werth von 600.000 fl. erreichten. Auch in Iglau hielt sich das Tuchgewerbe in den Vierzigerjahren noch auf bedeutender Höhe. Billige, aber als gut anerkannte Waare wurde in Iglau von 476 Tuchmachern auf 12.000 Stühlen erzeugt. Der Gesammtwerth der Waare belief sich 1841 auf 500.000 fl.
Bielitz zählte um diese Zeit 5 Fabriken der Firmen Baum, Bathelt, Kolbenheyer, Panek und Rieselfeld und 210 Meister mit 790 Webstühlen. In Biala gab es 120 Tuchmacher und 2 Fabriken. Besondere Erwähnung verdient hier die in grossartiger Weise mit den vollkommensten Einrichtungen betriebene Fabrik, welche Sternickel & Gülcher 1842 errichteten. Der Werth der in Bielitz und Biala erzeugten Waaren belief sich auf 4 Millionen Gulden.
Neben diesen Plätzen waren in den Vierzigerjahren Troppau mit einem Productionswerthe von 700.000 fl., Neutitschein mit einem Productionswerthe von 820.000 fl., Jägerndorf mit einem Productionswerthe von 648.000 fl., Wagstadt mit einem Productionswerthe von 1,000.000 fl. von Bedeutung. In Niederösterreich hatte nur Wden eine grössere Bedeutung für die Erzeugung von Schafwollwaaren, zumeist Modewaaren und gedruckten Ganz- und Halbschafwollzeugen. Der Productionswerth der niederösterreichischen Schaf- wollwaaren-Industrie belief sich auf 7,365.000 fl. Die altberühmte Linzer Aerarial-Wollzeugfabrik hatte seit 1838 die Zeug- und Tuchmanufactur vollständig aufgelassen und sich auf die Teppichfabrication und Schaf- wollzeug-Druckerei beschränkt.
In den übrigen Ländern ragte nur die Feintuchfabrik der Brüder von Moro zu Viktring bei Klagenfurt hervor; sonst beschränkte sich die Production auf Erzeugung der ordinärsten Waare des eigenen
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