die Regierung Kaiser Karls VI. mit Feuereifer für den Aufschwung der nationalen Industrie. Als im Jahre 1716 der Kaiser vom Mercantilcollegium in Prag Aufschluss darüber verlangte, ob im Lande und an welchen Orten feine Tuche verfertigt werden, erklärte auf die betreffende Umfrage die Reichenberger Tuchmacher­zunft, dass sie sich getraue, alljährlich 12.000 Stück oder mehr feine Tuche zu erzeugen und erwies sich hiedurch als die leistungsfähigste aller damals bestehenden 58 Tuchmacherstädte Böhmens, indem die übrigen zusammen nur eine Erzeugung von 18.000 Stück Tuchen zusicherten.

Im Jahre 1732 reichten die bestehenden zwei Walkmühlen in Reichenberg für die Tucherzeugung nicht mehr aus, weshalb die Grundherrschaft über Andringen der Zunft eine neue, leistungsfähige Walk­mühle in Rosenthal I. Theil errichtete.

Im Jahre 1743 betrieben in Reichenberg 329 Tuchmacher und 37 Tuchscheerer ihr Gewerbe.

Im Jahre 1765 wird der bis dahin beschränkte Umfang des Betriebes den Tuchmachern freigestellt.

Im Jahre 1771 erklärt sich die Zunft bereit, jährlich 16.000 Stück Tuche zu liefern. Die Regierung begünstigte die heimische Erzeugung durch Aussetzung von Prämien für feine Tuche, durch die Verleihung von Geschenken an ausländische, des Kniestreichens kundige Gesellen und durch Ausfuhrprämien, sowie durch die Gestattung der freien Niederlassung der Fabrikanten in der Stadt oder auf dem Lande.

Die goldene Zeit des gewerblichen Betriebes brach an mit dem von Kaiser Joseph II. erlassenen Einfuhrverbote für ausländische Waaren, welche genugsam in den kaiserlich-königlichen Erbländern erzeugt werden, worunter auch die Tuche inbegriffen waren. Schon im Jahre 1786 war die Erzeugung der Tuche so namhaft gestiegen, dass eine neue Walke in Althabendorf erbaut werden musste. Im Jahre 1790 wurden von 710 selbstständigen Meistern 24.000 Stück Tuche erzeugt. Die Zunft betheiligte sich 1791 bei der aus Anlass der Krönung Kaiser Leopold II. in Prag veranstalteten Ausstellung mit Reichenberger Tuchen, von denen die extrafeinen mit 5 fl. 30 kr. A. Cour, pro Elle bewerthet erschienen.

Im Jahre 1793 stellten hierorts 300 Tuchmachergesellen die Arbeit ein, weil Einem von ihnen die »Kundschaft« (das Arbeitszeugnis) verweigert worden war. Die Zunft beeilte sich, die streikenden Gehilfen zufrieden zu stellen.

Im Jahre 1796 beschäftigten 700 selbstständige Tucherzeuger ausser den Lehrlingen 700 Gesellen und 12.000 Spinner; die jährliche Erzeugung an Tuchen und Halbtuchen belief sich auf 35.734 Stück. Kaufleute aus aller Herren Länder trafen hier ein, um ihren Bedarf an Tuchen zu decken. Aus den Reihen der Tuchmacher waren ausserdem unternehmende Kaufherren hervorgegangen, welche die eigenen Erzeugnisse und die ihrer Mitmeister nach Wien, Linz, Prag, Mailand, Augsburg und Leipzig zum Verkaufe brachten, während die kleinen Meister auf den Märkten in Pilsen bedeutenden Absatz ihrer Waaren nach Südböhmen, Bayern und in die Alpenländer fanden. Für das Krumpen der Tuche wurde eine vierte herrschaftliche Walke in Schwarau errichtet.

Bis dahin war die Tuchmacherei in Reichenberg nur von Mitgliedern der Tuchmacherzunft betrieben worden und hatte bei einigen derselben der Betrieb bereits einen fabriksmässigen Umfang erreicht. Auch das Färben und Walken der Tuche war einzig und allein in den der Zunft gehörigen oder von ihr gepachteten Betriebsstätten gegen bestimmte Abgaben besorgt worden. Dieses Monopol wurde nach lang­wierigen Processen durch die der Zunft nicht beigetretene Firma Johann Berger & Co. aus Prag gebrochen, welche hier im Jahre 1796 eine eigene Tuchfabrik errichtete, während zu gleicher Zeit der bisher in der Zunft-Schönfarbe beschäftigte Färber Karl Bonté unter Beihilfe Bergers eine Privat-Schönfarbe eröffnete.

Die Tuchmacherzunft hatte durch weise gewerbliche Maassnahmen nicht allein den Gewerbebetrieb ihrer Mitglieder erleichtert, sondern auch selbst grosse Einkünfte erzielt, so dass sie sich in der Lage sah, im Jahre 1800 ein Wasserwerk in Habendorf anzukaufen und dasselbe zu einer fünften Walkmühle einzu­richten, ferner im Jahre 1802 zum Ankäufe der bisher im Pachte gehabten vier herrschaftlichen Walkmühlen an der Neisse zu schreiten. Damit war der feste Grund zu dem Wohlstände der Reichenberger Tuchmacher­zunft gelegt, der sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte noch weiter vermehren sollte.

Im Jahre 1804 kamen hier die ersten Spinn- und Scheermaschinen, sowie die ersten Wollekrempeln in Gebrauch; 1806 erfolgte durch die Firma Johann Berger & Co. die Aufstellung des ersten Dampfkessels. Im Jahre 1805 kam hier der Schnellschützen in Gebrauch. In den Jahren 1808 und 1810 entstand in dem benachbarten Gablonz zumeist durch Gesellen, welche hier mit ihrem Ansuchen um Gemeindezuständigkeit abgewiesen wurden, die Gablonzer Tuchmacherzunft, welche im Jahre 1826 bereits 112 Meister zählte.

Das Finanzpatent von 1811 brachte den Reichenberger Tuchmachern grosse Verluste.

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