In seiner Reichenberger Fabrik aber hatte Johann Liebieg in der Erkenntnis, dass es nicht genügt, blos die Artikel zu bringen, die der Markt verlangt, sondern dass selbe auch den ausländischen vollkommen ebenbürtig sein müssen, durch die Einführung moderner Maschinen und Verwendung von Arbeitskräften, die mit der Erzeugung moderner Behandlung vertraut waren, vorgesorgt, dass seine in den Factoreien erzeugten Waaren vollkommen concurrenzfähig auf den Weltmarkt kamen.

Es wurde hier in rascher Folge zur Einrichtung von Appretur, Färberei und Schafwolldruckerei geschritten, so dass sein Etablissement allen Anforderungen eines Grossbetriebes entsprach.

Bei der steigenden Nachfrage nach seinen Erzeugnissen musste bald der Handwebstuhl der Factoreien dem Kraftwebstuhl Platz machen und wurde 1835 von ihm die erste mechanische Weberei gegründet.

Dieses Unternehmen nahm binnen Kurzem einen solchen Aufschwung, dass Johann Liebieg daran denken konnte, durch den Bau einer eigenen Spinnerei im englischen Style sich auch das Halbfabrikat, auf dessen Bezug er früher hauptsächlich auf England angewiesen war, zum Th eil selbst herzustellen. Nun war aber auch sein Unternehmen so weit gediehen, dass er alle Branchen der Wollmanufactur in seinem Etablissement vereinigte. Der Grund, warum das Unternehmen Johann Liebiegs binnen kurzer Zeit einen so rapiden Aufschwung nahm, ist darin zu erblicken, dass er es verstand, dem Zeitgeiste Rechnung zu tragen, dass auch in unserem Vaterlande die Zeit gekommen war, welche die ganze Geschmacksrichtung hin­

sichtlich der Bekleidung der Bevölkerung einer Umwälzung unterwarf, indem die Handarbeit durch maschinelle Kräfte verdrängt wurde und nun als Ersatz für die schweren landesüblichen Stoffe, die theueren Tuche und Nationalcostüme, wohlfeile, moderne Fabrikate zu Gebote standen.

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Es zeigte sich alsbald für die modernen Wollenzeuge in ganz Oesterreich ein Massenconsum, und so fassten die von Johann Liebieg gegebenen Impulse bald auch anderorts in Nordböhmen kräftige Wurzeln.

Es schritt nun auch sein Bruder Franz, der anfangs zu dem kühnen Unternehmen wenig Zu­trauen hatte, 1833 an die Gründung einer eigenen Wollmanufactur, allerdings zuerst im kleinen Um­

Breitspannen und Trocknen der Waare 1848.

fange und brachte es durch grosse Umsicht und Fleiss binnen Kurzem dazu, im Jahre 1843 durch die Gründung seines Unternehmens in Dörfel in die Reihe der Grossproducenten zu treten.

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Wie sein Bruder Johann der erste war, der eine Kammgarnspinnerei für harte Worsted-Garne er­baute, war er der erste, welcher sich mit Verarbeitung der Kunstwolle und des Streichgarnes für seine Artikel beschäftigte.

Während der Zeit des Aufblühens der Industrie in Reichenberg sehen wir ein gleiches Unternehmen in Liebenau unter der Leitung Conrad Blasehkas ins Leben treten, welches Etablissement besonders nach dem Jahre 1854 grosse Bedeutung erlangt hat.

1843 gründete Franz Schmitt, der bei seinem Verwandten Johann Liebieg in Reichenberg, in dessen Diensten er stand, das Aufblühen und die Rentabilität der modern gewordenen Wollwaaren- Erzeugung ken nen gelernt hatte, in Böhm.-Aicha die in der ganzen Monarchie und weit über deren Grenzen hinaus bsstbekannte Firma F. Schmitt. Zuerst Appretur, Färberei und Weberei von Halb- und Ganz- wollwaaren, wurde auch bald eine Schafwolldruckerei eingerichtet, welche zur grössten Bedeutung in ihrer Art; ganz Oesterreich emporblühen sollte. Von den späteren Zeitgenossen Johann Liebiegs, welche sich von kleinen Factoreibesitzern zu angesehenen Gross-Industriellen emporgeschwungen, ist mit de: bedeutendste Ignaz Klinger, der in Jungbunzlau und Neustadtl ebenfalls nach und nach alle genannten Industriezweige schuf und später durch die Gründung einer eigenen Kammgarnspinnerei für weiche Garne, für seine im Brünner Genre geschaffenen Confectionsartikel, alle seine Concurrenten über­flügelte. Im Jahre 1850 wurde in Heinersdorf von Heintschel ein weiteres Unternehmen auf dem Gebiete der Wollwaaren-Industrie, die Weberei mit der Druckerei verbunden, gegründet, das heute im Vereine

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