G EBRÜDER S C H O E L L E R

K. K. PRIY. FEINTUCH- UND S C H AF WO LEWA A REN-FA B RIK

BRÜNN.

ie wirtschaftliche Depression nach dem Ausgange der napoleonischen Kriege hatte die seit den Zeiten Maria lheresias und Josefs II. zu grosser Bedeutung gelangte Textil-Industrie in eine schwere und verhängnisvolle Krisis versetzt, und um sie wieder auf ihre frühere Leistungsfähigkeit zu bringen, mussten neue Kräfte herang-ezogen werden. In erster Reihe nennt hier die Geschichte der Brünner Woll-Industrie die Firma Gebrüder Schoeller in Düren, welche sich entschloss, ein Fabriks­etablissement in Brünn unter derselben Birma wie in Düren zu etabliren. Zu diesem Zwecke erbat und erhielt die Firma von Kaiser Franz (1818) die Bewilligung zur zollfreien Einfuhr von Maschinen und von 600 Stück Waare.

Dieses Etablissement wurde nunmehr vollkommen und dem neuesten Stande der Technik entsprechend ein­gerichtet, so dass dasselbe bald die Geltung als eines der ersten der Monarchie erlangte. Im Jahre 1820 erhielt die Firma, die mit der Leitung der Fabrik Philipp Schoeller (geboren 20. Februar 1797, gestorben 1877) betraut hatte, das förmliche Landesbefugnis zur Tuch- und Cachemirerzeugung.

Den Aenderungen der Productionsweise und der Productionsbedingungen, der Yerkehrslage und der Stellung des Staates im politischen und im wirthschaftliclien Leben wusste die Firma immer Rechnung zu tragen. Vor Allem war es das Verdienst Philipp Schoellers, dessen Thatkraft, Energie, unermüdliche Thätigkeit und humane Ge­sinnung sich wie auf anderen Gebieten auch hier bewährten.

Von dem Auftreten der Gebrüder Schoeller datirte nach dem Zeugnisse Migerkas, des Geschichtsschreibers der Brünner Schafwoll-Industrie, eine neue Epoche dieses Industriezweiges.

Die Firma erwarb Privilegien auf verschiedene Walk- und Waschmaschinen, führte schon im Jahre 1827, als die erste in Oesterreich, das Leuchtgas ein, und beschäftigte bereits im Jahre 1822 fortdauernd 45 Webstühle, wobei eine Dampfmaschine von 20 Pferdekräften im Gange war. Die neuesten Erfindungen des Auslandes wurden ver- werthet und die entsprechenden AYerksvorrichtungen in einer eigenen Maschinenwerlcstätte erbaut. Aus dieser Werk­stätte gieng 1823 die erste hydraulische Presse für die Tuchfabrication hervor.

Im Jahre 1838 waren 2 Dampfmaschinen mit zusammen 40 Pferdekräften im Gange und wurden 700 Arbeiter beschäftigt. Die Gesammt-Jahresproduction belief sich auf 4000 Stücke, die ihren Absatz auch im Auslande fanden.

Das Etablissement erhielt bereits 1838 auf der Wiener Ausstellung die goldene Medaille.

Die Firma unterhielt Niederlagen in Wien, Pest, Mailand und später in New-YVrk und war von grösster Bedeutung für das Ansehen, welches Brünns Woll-Industrie weit über des Reiches Grenzen hinaus erlangte.

Philipp Schoeller, dem bereits im Jahre 1836 der Kaiser die goldene Verdienstmedaille verliehen hatte, fand auch das Vertrauen und die Anerkennung seiner Mitbürger. Im Jahre 1848 vertrat er Brünn im mährischen Landtage, im Jahre 1860 gehörte er dem verstärkten Reichsrath an; er fungirte als Mitglied der Jury bei der Londoner Ausstellung im Jahre 1851. Den Brünner Handelsverein, der im Jahre 1849 gegründet wurde, und dem es gelang, dem Brünner Platze im Welthandel eine Stellung zu verschaffen, leitete er als Yicepräsident, wie er auch seit der Begründung und der Leitung der Aushilfscasse im Jahre 1848 hervorragend bei der Organisirung des Creditwesens in Brünn thätig war. Im Jahre 1863 erhielt er den Orden der eisernen Krone und wurde sodann in den erblichen Ritterstand erhoben.

Im Jahre 1877 beschloss er sein Leben und überliess die Leitung der Firma seinem ältesten Sohne Gustav Ritter v. Schoeller, der schon seit Jahren ihm zur Seite gestanden war. Seit dem Jahre 1882 gehört auch der Schwieger­sohn des Letztgenannten, Carl Mühlinghaus, als Gesellschafter der Firma Gebrüder Schoeller in Brünn an.

Das Fabriks-Etablissement vereinigt in sich den ganzen Productionsprocess der Schafwollwaare und erzeugt insbesondere feine Modewaaren für den Bedarf des Inlandes und des Auslandes, soweit die Handelspolitik einen Export überhaupt ermöglicht.

Schon im Jahre 1826 begründete Philipp Schoeller eine Arbeiterkrankencas.se. Gustav Ritter v. Schoeller betheiligte sich in hervorragender Weise an der Gründung der Arbeiter-Pensions-, Wittwen- und Waisencasse der Schafwollwaarenfabriken und Lohnetablissements in Brünn, des einzigen derart umfassenden Institutes in Oesterreich.

Gustav Ritter v. Schoeller ist Ritter des kaiserl. österreichischen Ordens der eisernen Krone III. Classe und des kaiserl. österreichischen Franz Joseph-Ordens, Officier des Ordens der französischen Ehrenlegion etc., Consul des deutschen Reiches und der AYreinigten Staaten von Nordamerika, Aficepräsident der Handels- und Gewerbe­kammer, Mitglied des Staats-Eisenbahnrathes etc. etc.

Die Firma hat sich bei den internationalen Ausstellungen London 1851, Paris 1862, 1867 und 1878, AAien 1873 betheiligt, und ist bei allen diesen mit den ersten Auszeichnungen bedacht worden.

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