MORIZ SCHUR

MECHANISCHE WEBEREI

MÄRZDORF BEI BRAUNAU (BÖHMEN).

n Märzdorf bei Braunau bestand seit dem Jahre 1859 eine Leinenweberei, deren Geschäftsgang unter der damaligen Misère der böhmischen Leinen-Industrie schwer zu leiden hatte. Als das Gebäude im Jahre 1870 ein Raub der Flammen wurde, liess der Besitzer dasselbe als Baumwollweberei neu erstehen. Der Umfang der neuen Weberei hatte noch keine grosse Ausdehnung. Ein Wasserrad, das von dem längs der Fabrik hinfliessenden Bache in Bewegung gesetzt wurde, stellte die nöthige Kraft in einer Stärke von 12 Pferdekräften bei, und 58 Arbeiter bedienten 80 mechanische Webstühle, auf denen ausschliesslich ordinäre Waare für den Gebrauch der nächsten Umgebung erzeugt lourde.

Eine Besserung der Verhältnisse trat ein, als die Staatseisenbahngesellschaft die Strecke Chotzen-Braunau für den Personen- und Frachtenverkehr eröffnete. In dem nun folgenden allmählichen Aufschwung der Baumwoll- Industrie jener Gegend vermochte sich auch das Märzdorfer Unternehmen kräftiger zu entwickeln; mit der steigenden Nachfrage wuchs die Production, so dass entsprechende Reformen in den Betriebsverhältnissen vorgenommen werden, mussten. Inzwischen traten auch in der Leitung und dem Besitze des Etablissements Veränderungen ein. Nachdem der erste Besitzer gestorben war, wurde die Weberei verpachtet, hierauf im Jahre 1884 an Moriz Schur, den gegen­wärtigen Inhaber, verkauft. Unter dessen starker und sicherer Führung fanden namhafte Vergrösserungen und Er­weiterungen statt; das Arbeitspersonale wurde constant vermehrt, die Zahl der benützten mechanischen Webstühle bedeutend erhöht und die vorhandene Betriebskraft durch eine zweckdienliche und dreifach stärkere ersetzt. Jetzt werden nur hochfeine Musseline, Battiste, Gazestoffe und Halbseidenwaare erzeugt.

Gegenwärtig verfügt das Märzdorfer Etablissement über eine Dampfkraft von 200 Pferdestärken, welche 600 mechanische Baumwoll- und Seidenstühle in Gang hält; diese Maschinenanlage ist vom Inlande, die Web- und Arbeitsstühle vom Auslande bezogen worden. Erzeugt werden jährlich 3000 Metercentner Waare, die nicht nur im Inlande, sondern auch in Südamerika, Aegypten, den Donaufürstenthümern, Serbien etc. abgesetzt werden.

Das Etablissement ist elektrisch beleuchtet.

Die Fabrik beschäftigt circa 500 Arbeiter, von denen mehrere derselben einen Zeitraum von 25 Jahren an­gehören. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern ist ein sehr gutes. Für die Sicherheit des Lebens und zum Schutze der Gesundheit der Arbeiter sind alle gesetzlich gebotenen Vorkehrungen in umfassendster Weise getroffen worden. Moriz Schur liess geräumige Arbeiterwohnhäuser aufführen, die allen Anforderungen moderner Hygiene entsprechen. Ausserdem sind gut dotirte Pensions- und Unterstützungscassen vorhanden. Die Märzdorfer mechanische Weberei besitzt in Wien I., Helferstorferstrasse 11, eine Niederlage.

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