Philipp Haas, geboren 1791, stammte aus einer AVeberfamilie; schon sein Vater betrieb dieses Gewerbe auf dem »Grunde« der AVeber-Industrie in AAhen, in der A^orstadt Gumpendorf, wo auch das Stammhaus des jetzigen Geschäftes gelegen ist. A"on früher Jugend an widmete er sich mit Hingebung seinem Beruf und erwarb auch durch seine Arbeiten einen Preis von 60 fl. an der Manufactur-Zeichenschule, der als das Grundcapital seines Unternehmens zu betrachten ist. Mit diesem Betrage eröffnete er im Jahre 1810 eine eigene A\ r erkstätte und begann so seine selbst­ständige Thätigkeit.

Damals beherrschte, wie schon erwähnt, England mit seinen Fabrikaten so vollständig den Markt, dass es vermessen erschien, ihm das Terrain streitig machen zu wollen. Haas schreckte aber davor nicht zurück, indem er sich sagte, dass auch die englische Industrie nicht immer obenan gewesen, und dass der AA r eg, der sie zur Höhe geführt hatte, anderen nicht versperrt sei; weiter hinaus, als von den Engländern zu lernen, es ihnen gleichzuthun, das öster­reichische Publicum allmählich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass es eben so solide AAMare für billigere Preise im Lande selbst erhalten könne, dürfte er aber lange nicht gedacht haben.

So bescheiden er anfangen musste, so stetig entwickelte er sein Geschäft; mit weissen Kattunen hatte er begonnen, nach und nach kam die babrication von Organtinen, Musselinen und Linons hinzu. Aufmerksam jeden bortschritt in der AVeberei, Bleiche, Färberei und Appretur verfolgend, sich zunutze machend, auch manchmal selbst verbessernd, gelangte er dahin, Baumwollstoffe von gleicher Vorzüglichkeit wie die Engländer bei nie­drigeren Preisen zu liefern. Für seine Leistungen in diesem Industriezweige wurde ihm auf der Gewerbe- producten-Ausstellung zu AAfien im Jahre 1839 bereits der erste Preis zuerkannt, wie er auch fünf Jahre später auf der deutschen Gewerbe-Ausstellung in Berlin für Damaste prämiirt wurde, für die er eine neue Brochirvorrichtung erfunden hatte. Innerhalb weniger Jahrzehnte war der inländische Markt voll­ständig erobert und der Concurrenzkampf über die Grenzen des Reiches hinausgetragen worden. Auf allen bedeutenderen Industrie-Ausstellungen, welche dann einander rasch folgten, behauptete das Haus seinen Platz in allererster Reihe: in AAfien 1845, in Leipzig 1850, in London 1851 u. s. w.

Im Jahre 1825 war die Fabrication auf Kleider­und AVestenstoffe ausgedehnt und eine Zeugdruckerei angelegt worden; im Jahre 1831 wurde ein neuer Productionszweig eingeführt, der später eine so hohe Bedeutung gewinnen sollte, nämlich die Erzeugung von Möbelstoffen, die in Mitterndorf bei AA r ien ur­sprünglich als Handweberei, von 1845 an mit 30 mecha­nischen Stühlen betrieben wurde; nebstdem wurde eine Garn- und Stoff-Färberei errichtet. In Mittern­dorf hatte Haas bereits 1831 eine Mühle ange­kauft und zur Fabrik adaptirt, welche nach einem stattgehabten, alles vernichtenden Brande an anderer Stelle im selben Orte als Baumwollspinnerei neu er­baut wurde.

Vom Jahre 1840 datirt diejenige Thätigkeit des Hauses, welche neben der Möbelstofffabrication der Firma ihre AVeltstellung erwerben sollte: die Teppichfabrication. In demselben Jahre wurde das erste A'erkaufslocal in A\ 7 ien am Graben (Trattnerhof) eröffnet, welches bereits 1846 eine Filiale in Pest erhielt, nachdem Jahre vorher schon ungarische Märkte besucht worden waren. Im Jahre 1849 folgte die Errichtung der Schafwollsammt- (A r elour dUtrechtJAVebereien in Hlinsko in Böhmen.

Mittlerweile waren dem rastlosen Manne zwei Söhne, Robert und Eduard, als Gehilfen herangewachsen, die, von vorneherein mit den wissenschaftlichen und technischen A T orkenntnissen ausgestattet, welche der A^ater sich so mühsam hatte aneignen müssen, nach vierzigjährigem Bestände des Geschäftes in dasselbe als Theilhaber aufgenommen wurden, womit eine neue Aera des Hauses beginnt. Der Eintritt der beiden neuen Firmaträger ermög­lichte es, in der Erweiterung des Unternehmens einen entscheidenden Schritt nach vorwärts zu thun. Es wurde die ehemalige Baumwollspinnerei in Ebergassing bei AVien angekauft und im grossen Style für die Teppich- und Möbelstofffabrication eingerichtet, während Mitterndorf zur Baumwollspinnerei umgewandelt wurde.

Eduard Haas, am 15. September 1827 geboren, hatte vom A'ater den regen, umsichtigen Geschäftsgeist und die unermüdliche Arbeitskraft geerbt, besass aber als das Kind einer andern Zeit zugleich offenen Blick für die Bedeutung der Kunst im Gewerbe und aufrichtige Freude an derselben. Unmittelbar nach seinem Eintritte in die Firma fiel das grosse Ereignis, welches gerade in dieser Beziehung eine vollständige Umwälzung in der europäischen Industrie bewirken sollte: die erste Londoner Industrie-Ausstellung.

Eduard Llaas, dem bei der Kränklichkeit des Bruders Robert bald die geistige Leitung des riesigen Geschäftes zufiel, lenkte dasselbe sofort in die neue Richtung. Dass darüber nichts vernachlässigt wurde, was die

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Waarcnhaus in Wien, I., Stock im Eisenplatz.

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