-.‘•xV.'tJ VT , '**r v ' '**
O
■39
fir
/virild
.-A* P? ,
ï l ;
I
V:r ) i“
DIE STICKEREI-INDUSTRIE VORARLBERGS.
ie Anfänge der Stickerei-Industrie Vorarlbergs reichen anderthalb Jahrhunderte zurück. Im Jahre 1753 soll Pfarrer Kauer in Reutte im Aufträge des Hauses Gonzenbach in St. Gallen die erste ostindische Mousseline zum Besticken an seine Pfarrkinder ausgegeben haben. Aus welchem Anlasse Pfarrer Kauer auf den Gedanken kam, seiner Gemeinde diese neue Erwerbsquelle zu eröffnen, ob die Einwohner von Reutte gerade für die subtile Arbeit der Stickerei besondere Eignung besassen, ist nicht mehr zu erforschen. Thatsache ist, dass unmittelbar darauf die Stickerei in St. Gallen ihren Eingang fand und sich dort und in der ganzen Ostschweiz unter Aufrechthaltung einer ununterbrochenen Verbindung mit Vorarlberg zu einer ausserordentlichen Blüthe entwickelte, so dass diese Stadt zum Weltmärkte für den Artikel geworden ist. Selbstverständlich hatte die Stickerei- Industrie des vorigen Jahrhunderts, die lediglich Handstickerei war, nicht annähernd die Bedeutung, welche sie im Laufe dieses Jahrhunderts, für Vorarlberg insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten, gewonnen hat. Allein die Art des Verkehrs zwischen der Schweiz und Vorarlberg hat die von Anfang angenommenen Formen bis auf die heutige Zeit beibehalten. Er wird durch die sogenannten Fergger (Factoren) vermittelt, deren es in Vorarlberg etwa 160 geben mag. Das St. Galler Kaufhaus gibt die Muster und die Rohwaare (Stickboden) an den Fergger aus, welcher sie an die zu ihm in einem freien Arbeitsverhältnisse stehenden Sticker weitergibt. Nach erfolgter Bestickung liefert der Sticker die Waare an den Fergger ab, und dieser führt sie wieder dem Auftraggeber zu, welchem er für gute Ausführung verantwortlich ist. Ueber den Umfang dieses ersten Verkehres der Schweiz mit Vorarlberg sind wir nur mangelhaft unterrichtet. Nach einer Angabe 1 ) sollen die Löhne, die von St. Gallen nach Vorarlberg und dem Schwabenland für Baumwollspinnen, besonders aber für das Besticken von Mousseline abgeführt wurden, jährlich eine Million Gulden betragen haben, eine Angabe, die wohl um ein Beträchtliches zu hoch gegriffen sein dürfte. Ebenso wenig ist eine verlässliche Angabe darüber zu finden, wie viele Arbeiter in dieser ersten Periode in der Stickerei-Industrie beschäftigt waren. Ihre Zahl konnte aber nicht unbedeutend sein, denn schon für 1773 wird die Zahl der für die St. Gallische Stickerei beschäftigten Personen auf 6000, für das Jahr 1790 aber schon auf 30.000—40.000 angegeben, 2 3 ) und der tägliche Verdienst für eine Stickerin soll schon früher 36—60 kr. täglich betragen habend)
Von welcher Bedeutung der Stickereiverkehr mit Vorarlberg nicht nur für dieses selbst, sondern auch für die Schweiz in verhältnismässig kurzer Zeit geworden war, geht mit ausserordentlicher Klarheit aus der Geschichte der Verhandlungen hervor, welche zwischen der Schweiz und Oesterreich nach Erlassung
') Ebel, Schilderung der Gebirgsvölker der Schweiz. I, S. 276.
2 ) Dr. Heinrich Wartmann, Industrie und Handel des Cantons St. Gallen auf Ende 1866. S. 164.
3 ) Dr. H. Wartmann, Beschreibung der Stadt St. Gallen.
46*
r&æS
dS
363