abstehen. Die Bewegung des Rahmens erfolgt nicht direct, sondern durch den sogenannten Pantographen oder Storchschnabel, welcher, durch die Hand des Arbeiters nach dem Dessin geführt, das letztere in sechsfacher Vergrösserung auf das Zeug (Stickboden) überträgt. Die Maschine wird von zwei Personen, dem Sticker und der Fädlerin, welche das Einfädeln des Garnes in die Nadeln besorgt, bedient. Uebrigens wird die Fädlerin mehr und mehr durch die Fädelmaschine verdrängt, welche von einem Kinde leicht bedient werden kann und die Arbeit der menschlichen Hand mit bewundernswerther Präcision ersetzt. Das Material, das die Plattstichstickerei verwendet, ist Tüll, dann Mousseline, welcher aber speciell in Vorarlberg weniger Verwendung findet, und hauptsächlich Cambric. Soweit die Vorarlberger Stickerei selbstständig ist, bezieht sie nicht nur für den Export, was bei dem Stande des Veredelungsverkehres selbstverständlich, sondern auch für den Inlandsbedarf namentlich in den gröberen Qualitäten viel ausländischen Cambric (England), während die feineren Qualitäten auch aus Böhmen vielfach sogar mit Vorliebe bezogen werden. Der Hauptartikel der Maschinenstickerei sind die Besatzartikel für Weisszeug (Bandes und Entredeux), dann Roben, Taschentücher (Tüchli), Kleiderbesätze und gewisse Specialitäten, die aber in AMrarlberg erst in den letzten Jahren in etwas höherem Ausmaasse producirt werden.

Von der Maschinenstickerei Vorarlbergs kann man eigentlich erst von der Zeit nach 1876 sprechen. Das Jahr vorher hatte der Ostschweiz einen ungeahnten Aufschwung gebracht; im Monat October 1875 wurden für 100 Stiche der Arbeitslohn wird nach der Anzahl Stiche, die ein bestimmtes Dessin erfordert, berechnet, und ein tüchtiger Sticker bringt es auf 2500 Stiche täglich 61 Centimes bezahlt, und wenn auch diese glanzvolle Periode nicht lange vorhielt, so gab sie doch dem benachbarten Vorarlberg Anregung genug, um sich ebenfalls nach Kräften der Industrie zu bemächtigen. 1876 standen in Vorarlberg erst 187 Plattstichmaschinen, vier Jahre später waren es bereits 1404, obwohl die Löhne wieder stetig herunter- giengen und Ende 1880 nicht mehr als 3435 Centimes betrugen. 1891 betrug die Zahl 3057, und die Erfindung des Schnellläufers, von dem weiter unten die Rede ist, hat aus der Schweiz neuerlich etwa 1000 Plattstichmaschinen nach Vorarlberg gebracht, welche vorzugsweise aus schweizerischen Fabriken, die sich auf den Schnellläufer einrichten, herstammen.

Der dritte Typus von Maschinen ist die sogenannte Schiffchenmaschine, die im Jahre 1863 von Isaak Gröbli und Josef Wehrli in St. Gallen erfunden wurde und wohl zu unterscheiden von dem in letzter Zeit erfundenen Typus einer verbesserten Schiffchenmaschine, dem sogenannten Schnellläufer wenig Erfolg aufzuweisen hatte. Die Arbeit dieses ersten Systems der mechanischen Schiffchenmaschine war eine ziemlich rohe, die Muster, die sie arbeitet, sind grosse, viel Garn verbrauchende und deswegen für die gewöhnliche Maschine undankbar. Die Zahl der Schifflimaschinen hat in ATrarlberg im Jahre 1891 etwa 100 betragen. Das Schiffchensystem hat aber in letzter Zeit eine ganz ungeahnte Bedeutung für die Stickerei gewonnen durch die Erfindung des sogenannten Schnellläufers, welcher heute noch vorzugsweise in Sachsen gebaut, aber in der Schweiz in grossem Maassstabe in Betrieb gesetzt wird. Es wurden schon früher vielfach Ver­suche gemacht, den Stickereibetrieb zu einem mechanischen umzugestalten, aber so wie das erste Schiffchen­maschinensystem die in dasselbe gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt hat, so gieng es auch mit dem soge­nannten Dampfstickstuhl, welcher Anfangs 1890 in seiner ersten verwendbaren Form von der Firma Saurer & Söhne in Arbon in Verkehr gebracht, zuerst grosse Befürchtungen für den Bestand der Hand­maschine hervorrief, die sich aber schliesslich schon wegen der grossen Complicirtheit seiner Construction als grundlos herausstellten. Die neue Schnellläufermaschine ist dagegen eine sehr ernst zu nehmende Erscheinung und scheint der gewöhnlichen Plattstickmaschine in der That grossen Abbruch zu thun. Die Leistungsfähigkeit der Schnellläufermaschine verhält sich zu jener der Handmaschine wie 5:1, und sollen heute schon in der Schweiz an 1000 Schnellläufer aufgestellt sein. Der Artikel, den diese verbesserte Schiffchenmaschine erzeugt, ist nicht derjenige der Handmaschine, er hat mehr den Charakter der Spitze, wird vom Markte sehr lebhaft aufgenommen und spielt namentlich in den überseeischen Ländern eine bedeutende Rolle, ja, für sogenannte Höhlsachen und billige Exportwaare dürfte er die Handmaschine auf lange Zeit verdrängen. Was das für Vorarlberg bedeuten kann, wo bisher die amerikanische Stapelwaare vorzugsweise erzeugt wurde, braucht kaum gesagt zu werden. Dagegen werden die besseren Artikel, welche namentlich den Consum des europäischen Continents ausmachen, wohl der Handmaschine Vorbehalten bleiben, immerhin wird es aber der ganzen Energie unserer Fabrikanten bedürfen, um durch die Ein­führung neuer Specialitäten, die lohnende Arbeit sichern, den Entgang nicht allzu empfindlich werden zu lassen.

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