W. SCHMIDL & SÖHNE

K. K. LANDESPRIV. SPITZEN-POSAMENTIRWAAREN- UND LITZEN-FABRIK

WEIPERT I. B.

ie im Jahre 1561 von Barbara Uttmann in Annaberg (Sachsen) zur Einführung gebrachte Spitzen­klöppelei brachte einen wahren Segen über das ganze Erzgebirge. Schon im Jahre 1693 drang dieser Erwerbszweig auch nach Weipert und breitete sich im Laufe der Jahre immer mehr aus. Bereits im Jahre 1760 hatte, wie die alten Aufzeichnungen beweisen, Rupert Schmidl sen., geboren 1735, der Urgrossvater des jetzigen Chefs Emil C. Schmidl, einen ausgedehnten Spitzenhandel. Er liess alle Arten Spitzen in Weipert und Umgebung erzeugen und verkaufte sie hauptsächlich nach Wien.

Auch ein zweiter Industriezweig wurde bald nach Weipert verpflanzt, nämlich die Posamenterie, welche 1389 in Buchholz und Annaberg eingeführt worden war.

Michael Friedrich Schönweller, ein Posamentirer aus der letztgenannten Stadt, führte diese 1770 in Weipert ein. Als er 1792 starb, wurde ein Gehilfe desselben, Johann Stopp, von Rupert Schmidl mit der Fabrication der damals so gangbaren Vorhangfransen, Bordüren und Bettgimpen betraut. Nach dem Tode des Rupert Schmidl übernahmen dessen Söhne Rupert und Wenzel das Geschäft. Sie besuchten schon im Jahre 1814 die Märkte in Wien, Pest und Graz. Im Jahre 1819 trennten sich die Brüder. Wenzel Schmidl, geboren 1783, führte das Geschäft allein weiter und gründete im Jahre 1824 die Niederlage in Wien.

Die ersten Anfänge in der Gorlfabrication mit Handarbeit geschahen 1830. Aus den einfachen Dessins entstanden allmählich geschmackvollere, breite Muster, sogenannte »Schlinggorl«, während später der Nähgorl mehr zum Durchbruche kam. Der älteste Sohn des Wenzel Schmidl, gleichen Namens, geboren 1811, begleitete den Vater auf seinen Reisen zu den Märkten. Während der Marktzeit befand sich in Wien eine Marktbude am Hof, gegenüber der päpstlichen Nuntiatur, eine andere in der Leopoldstadt beim Goldenen Brunnen. Später leitete der zweite Sohn Wilhelm die Niederlage in Wien, während dem Wenzel Schmidl die Leitung des Weiperter Geschäftes oblag. Am 21. Februar 1839, Z. 8611, wurde die Landesfabriksbefugnis durch die k. k. Landesstelle für das Spitzengeschäft bewilligt und am 22. December 1843 auch auf Web- und Posamentirwaaren aus Seide und Schafwolle ausgedehnt. Im Jahre 1839 erfolgte also die eigentliche Gründung der Firma »W. Schmidl & Söhne« mit den Theilhabern Wenzel Schmidl sen., Wenzel Schmidl jun. und Wilhelm Schmidl. Wenzel Schmidl sen. zog sich 1845 vom Geschäfte zurück, worauf sein jüngerer Sohn Julius der Firma als Leiter der Fabrication beitrat.

Am 1. October 1857 starb Wenzel Schmidl sen. im 74. Lebensjahre.

Die Niederlage in Wien und das Fabriksgeschäft in Weipert wurden von den drei Brüdern durch Anschaffung von Maschinen erweitert, die Fabrication wurde immer mehr gehoben, die sogenannten Barmer Artikel wurden eingeführt, auch in grossen Mengen Rosshaar- und Strohspitzen gearbeitet. Insbesondere das Jahr 1867 ist als ein ganz ausserordentlich gutes Geschäftsjahr hervorzuheben. Die zur Verarbeitung benöthigten Glasperlen konnten damals aus Venedig nicht einmal in genügender Menge beschafft werden, um die Aufträge in Perlcrepinen, Schiebern und Röserln zu bewältigen.

Wenzel Schmidl jun. und Julius Schmidl schieden 1870 aus der Firma, die Fortführung des Geschäftes dem Gesellschafter Wilhelm Schmidl und Ludwig Schmidl, dem ältesten Sohne des Wenzel Schmidl jun., überlassend. Als sich 1879 auch Wilhelm Schmidl ins Privatleben zurückzog, trat Emil C. Schmidl, Bruder des Theilhabers Ludwig Schmidl, als Gesellschafter ein.

Das Unternehmen wurde nun zeitgemäss vergrössert, alle Neuerungen im Fabriksbetriebe kamen zur Anwendung, so auch schon im Jahre 1890 die elektrische Beleuchtung. Weitere Verbindungen wurden angebahnt und der directe Versandt ab Fabrik gepflegt. Die Erzeugnisse wurden wiederholt prämiirt, so bei der Welt­ausstellung 1873 in Wien, den Ausstellungen 1874 in London, 1876 in Philadelphia, 1884 in Teplitz und 1888 in Wien.

Im Jahre 1891 trat Ludwig Schmidl krankheitshalber aus der Firma aus und Emil C. Schmidl übernahm jetzt das Unternehmen allein. Es wurden durchgreifende Fabrikserweiterungen vorgenommen und vielfache Ver­besserungen sowohl in der Fabrik, als zu Wien in der Niederlage, I., Tuchlauben 15, durchgeführt, um den erhöhten Anforderungen des technischen und commerziellen Fortschrittes in jeder Weise gerecht zu werden. Am 1. Jänner 1892 wurde dem langjährigen Buchhalter Johann Grämlich die Procura übertragen.

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