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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Vierter Band
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DIE FILZ- UND SEIDENHUT-INDUSTRIE 18481898.

Ile jene grossen wirthschaftlichen Veränderungen, die in den letzten fünfzig Jahren hauptsächlich durch Einführung und Entwickelung des Maschinenwesens sich abspielten, treten auch bei der Hut-Industrie klar zu Tage. Die umfassenden Verschiebungen in den Verkehrs- und Con- sumtionsverhältnissen brachten besonders bei der Filzhut-Industrie die inländische und aus­ländische Concurrenz in ein anderes Verhältnis und die Anwendung der Maschinen in der Hut- Industrie selbst bewirkte vielfach eine veränderte Erzeugungsweise und den theilweisen Uebergang vom Kleingewerbe zur Gross-Industrie.

Das Hutmachergewerbe wurde bis in die Fünfzigerjahre nur handwerksmässig betrieben. Der Meister kaufte seine Hasenbälge und andere Fellsorten, präparirte, beizte und scherte dieselben. In dieser Weise wurde der Hut fast ausschliesslich mit der Hand fertiggestellt.

Die Huterzeugung zerfällt in drei Abtheilungen, und zwar in die Wollhutfabrication, in die Haar- filzhutfabrication und in die Seidenhutfabrication.

I. Wollhutfabrication.

Die älteste ist die Wollhutfabrication. Ursprünglich wurde nur Schafwolle in ihren verschiedenen Sorten zur Erzeugung von Hüten verwendet, jetzt bedient man sich derselben nur bei Hüten billigerer Sorten.

Der Wollhut wurde in den früheren Jahren fast nur im handwerksmässigen Betriebe hergestellt und war meistens auf dem flachen Lande verbreitet.

Es sei hier gleich gesagt, dass die Wollhutherstellung in den letzten 25 Jahren in Bezug auf ihre maschinelle Einrichtung und die damit verbundene Massenproduction die grössten Fortschritte aufzuweisen hat. Durch die Anwendung der verschiedenartigsten Maschinen bei der Wollhuterzeugung, in erster Reihe des Wollkrempels, der Fach-, Walk-, Form-, Scher-, Press-, Tour- und Faponnirmaschinen, deren Betrieb grössere Dampfkraft erfordert, ist heute die Wollhutfabrication fast ausschliesslich im Besitze der Gross- Industrie, mit Ausnahme der sogenannten Lodenhüte, die noch von Wolle mit der Hand gefacht und verarbeitet werden. Wir können hier constatiren, dass die Wollhutfabrication hochentwickelt ist und ihre Vervollkommnung in die letzten dreissig Jahre fällt, so dass selbe jede Concurrenz mit den vorgeschrittensten Ländern, wie Deutschland, England und Italien, ebenbürtig aushält. Die ausserordentliche Entwickelung dieses Industriezweiges verdankt man der energischen Schaffenskraft, der streng soliden Ausführung und dem anerkannt guten Wiener Geschmack, welchen die Wollhutfabrication sowohl in der Adjustirung, als auch in den Formen der Wiener Mode gerecht wird, was sie auch exportfähig macht.

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