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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Sechster Band
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claven bei einem Drucke von 7 bis 8 Atmosphären vorzunehmen. De Milly nahm hiebei gleichfalls die Er­hitzung der Fettmassen mit Aetzkalk im Druckgefäss mit directem Feuer vor, wodurch auch dieser Methode grosse Gefährlichkeit und Unsicherheit im Betriebe anhaftete.

Es ist ein grosses Verdienst Georg Harths, des damaligen technischen Directors und Gesellschafters der Ersten österreichischen Seifensieder-Gewerksgesellschaft in Wien, eine weittragende Verbesserung des de Millyschen Spaltungsverfahrens herbeigeführt zu haben, indem er zur Erhitzung der Autoclavenmassen hochgespannten Wasserdampf verwendete.

Die Hartlsche Spaltungsmethode hatte sich schon kurze Zeit nach ihrer Erfindung in fast allen Stearinfabriken Europas, die dem technischen Fortschritte folgten, eingebürgert und bildet auch heute noch die fast allgemein angewandte Methode des sogenannten Saponificationsverfahrens.

Was speciell den Zusatz von Aetzkalk in Autoclaven zur Spaltung der Neutralfette anbelangt, sind im Laufe der Jahre viele Vorschläge gemacht und durch Patente geschützt worden, welche bezwecken, die Anwendung des Aetzkalkes zu vermeiden, einestheils um vollständigere Spaltungen zu erreichen, anderntheils um die Verluste an Fettsäuren durch den abfallenden Gips zu verhindern. Die Spaltung lediglich unter Zusatz von Wasser bei einem Hochdrucke bis zu circa 18 Atmosphären auszuführen, hat sich nicht einbürgern können, ebensowenig der Zusatz von anderen Erdalkalien und Metalloxyden, mit Ausnahme eines einzigen, der Aetzmagnesia. Höhere Autoclavenspannungen als 12 Atmosphären werden in Oesterreich im allgemeinen nicht verwendet. Bei noch höherem Drucke werden ganz ausser­ordentliche Anforderungen an die Solidität der Autoclaven gestellt, und ist ausserdem noch zu berück­sichtigen, dass diese an und für sich schon durch die Autoclavenmassen sehr angegriffen werden und die ursprüngliche Sicherheit derselben gegen Explosionsgefahr bei längerem Gebrauche ohnehin bedeutend abnimmt. Als Autoclaven sind fast allgemein verticale cylindrische Gefässe aus Kupferblech mit einem Fassungsraume bis zu 2500 Kilogramm Fettmasse in Verwendung. Nur die Erste österreichische Seifen- sieder-Gewerksgesellschaft »Apollo« in Wien arbeitet mit aus Schmiedeeisen angefertigten Autoclaven, die mit einem Kupferfutter versehen sind. Trotz aller Einwände gegen diese Construction, welche von manchen Seiten gemacht wurden, hat sich die erwähnte Gesellschaft der mannigfachen Vortheile wegen, die diese Autoclaven besitzen, noch nicht veranlasst gesehen, diese Construction zu verlassen. Die verwendeten Autoclaven sind grösstentheils in Oesterreich angefertigt, und hat man sich bei diesen von französischen Constructeuren schon lange emancipirt.

Die in Holland, Belgien, Schweden, Russland und theilweise auch in Frankreich in Anwendung gekommene Methode, die Spaltung der Neutralfette durch Vermischen derselben mit concentrirter Schwefel­säure und nachheriges Kochen mit Wasser vorzunehmen, ist in Oesterreich nicht aufgenommen worden. Hier, wo doch meistens Fette von grösserer Reinheit verarbeitet werden, die einen verhältnismässig hohen Glyceringehalt besitzen, trachtet man auch eine höchstmögliche Ausbeute an Glycerin zu erzielen. Das nach der Spaltung der Neutralfette erhaltene Glycerinwasser von 2 0 bis 7°Be. wird dann, wie später be­schrieben, weiter verarbeitet.

Die vom Glycerinwasser befreiten Autoclavenmassen werden nunmehr in allen Fällen mit ver­dünnter Schwefelsäure gekocht, um die fettsauren Seifen von Kalk oder Magnesia in das entsprechende schwefelsaure Salz und Fettsäuren zu zerlegen. Nach dieser Manipulation sind die Methoden zur weiteren Verarbeitung der Fettsäuren verschieden und oft lediglich von der Natur der zu verarbeitenden Rohstoffe abhängig. Alle jene Rohfette, die nach der Spaltung dunkel gefärbte Fettsäuren liefern, müssen einer Destillation mit überhitztem Wasserdampf unterworfen werden. Diese Methode der Reinigung der Rohfett­säuren wurde von Melsens und Tilgmann im Jahre 1858 erfunden und zuerst in Oesterreich von F. A. Sarg in Liesing eingeführt. Bis zu Beginn der Siebzigerjahre arbeitete Sarg in Liesing allein nach dieser Methode, und erst im Jahre 1874 wurde dieselbe auch von der Ersten österreichischen Seifensieder- Gewerksgesellschaft »Apollo« in Anwendung gebracht. Kurze Zeit darauf folgten auch Semmler & Frenzei in Brünn und Johann Hoffmann in Graz mit der Destillation der Fettsäuren.

Die Apparate, welche zur Ausführung der Destillation in Anwendung kommen, wurden früher aus­nahmslos von ausländischen Constructeuren, besonders aus Paris, bezogen, und tauchten die hierauf bezüglichen Neuerungen grösstentheils zuerst in Frankreich auf. Viele dieser Neuerungen haben die Anregung zu wirklichen Verbesserungen gegeben, die dann theilweise auch bei uns zur Durchführung gelangten.

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