In Oesterreich hat die Fettsäuredestillation einen anderen Weg eingeschlagen als in Frankreich, Belgien und Holland. In jenen- Ländern werden die Kerzen minderer Qualität gewöhnlich mit Zusatz von weissen, destillirten Fettsäuren erzeugt, und ist es dort Erfordernis, dass letztere den möglichst erreich­baren Grad von Weisse besitzen. In allen jenen Fällen, wo bei der Fettsäuredestillation auf solche Producte gesehen wird, kann die-Destillation nur langsam vorgenommen werden und erhöht sich hiebei der Kohlen­verbrauch bedeutend. In Oesterreich, wo destillirte weisse Fettsäuren zu Kerzen minderer Qualität fast gar keine Verwendung finden, da uns ein billigeres Material, das Paraffin, zur Verfügung steht, zieht man es vor, die Destillation auf Kosten der Weisse der Destillat-Fettsäuren zu beschleunigen.

Die direct durch Zerlegung der Autoclavenmassen oder durch nachherige Destillation erhaltenen Fettsäuren werden auf Stearin wohl in allen Fabriken auf fast gleiche Weise verarbeitet. Nach vorher­gegangener Reinigung dieser Fettsäuren durch Abkochung auf verdünnter Schwefelsäure und dann auf Wasser werden eventuell vorhandene Spuren von Seifen und mechanische Verunreinigungen entfernt, die reine flüssige Fettsäuremasse hierauf in Wannen aus verzinntem oder emaillirtem Eisenblech gegossen, um sie in einer Form zu erhalten, welche in hydraulischen Pressen von der Oelsäure befreit werden kann. Emaillirte Fettsäure­wannen sind heute schon vielfach im Gebrauche und sind dieselben, in guter Qualität, ein speciell öster­reichisches Erzeugnis. Unter allen diesen Fabrikaten haben sich die von den Brünner Emailgeschirrfabriken erzeugten am besten bewährt. Die erstarrten Fettsäuren werden nun in Tücher aus Kammgarn oder Kameelhaarstoff eingeschlagen und hierauf einer kalten hydraulischen Pressung unterzogen. Hiezu sind noch allgemein stehende hydraulische Pressen in Verwendung. Die von den Kaltpressen ablaufenden flüs­sigen Fettsäuren (Elain) enthalten noch wechselnde Mengen von festen, zur Stearinfabrication verwend­baren Fettsäuren, die in einigen Fabriken wiedergewonnen werden. Zu diesem Zwecke wird das von den Kaltpressen ablaufende Elain in Holzbottichen bei niedriger Temperatur, gewöhnlich in Kellern, erstarren gelassen und der von festen Fettsäuren gebildete Krystallbrei in Filterpressen abgepresst. Die auf diese Weise erhaltene Oelsäure von niedrigerem Erstarrungspunkte bildet nun ein beliebtes Material zur Herstel­lung von Schmierseifen und ein Einfettungsmittel in der Textil-Industrie. Die gewonnenen festen Filter­pressmassen kommen wieder in die Stearinfabrication zurück. Die durch die Kaltpressung grösstentheils von der Oelsäure befreiten Fettsäuren gelangen nun in die sogenannten Warmpressen, das sind horizontale hydraulische Pressen, deren Pressplatten aus Stahl oder Schmiedeeisen angefertigt sind und durch im Innern befindliche Canäle mit Dampf, in neuester Zeit mit Heisswasser geheizt werden. Meistentheils ist die Construction der in Verwendung stehenden Kalt- und Warmpressen die alte geblieben. Hiebei muss noch bemerkt werden, dass die meisten Verbesserungen an Maschinen und Apparaten, die in der Stearin-Industrie verwendet werden, grösstentheils von Frankreich, speciell von Paris ausgiengen, und dass auch heute noch die Constructionswerkstätten für diese Industrie dort in vollster Blüthe stehen. Jene feste Fettsäure, wie sie aus den Warmpressen resultirt, gewöhnlich von rein weisser Farbe, bildet das technische Stearin.

Die weitere Verarbeitung dieses Stearins auf Kerzen erfolgt derart, dass dasselbe durch Abkochen auf verdünnter Schwefelsäure und dann auf Wasser von Spuren von Eisen, Kupfer und Schmutz befreit, hierauf durch Abrühren bis zur beginnenden Erstarrung zum Kerzengusse fertiggestellt wird. Das Abrühren des flüssigen Stearins wurde früher in kleinen Holzbottichen mit der Hand vorgenommen. Heute sind hiezu mechanische Rührwerke in Gebrauch, theils Holzbottiche mit Rührern aus Holz oder auch Trommeln aus Zinkblech, in welchen auf einer horizontalen Achse befindliche Flügel in Rotation versetzt werden. Alk; Bestandteile aus Eisen, welche sich in solchen Gefässen befinden, müssen äusserst gut verzinnt sein.

Die gussfertig gestellte Kerzenmasse wird hierauf in die mit dem Docht versehenen Kerzenformen gegossen und darin erstarren gelassen. Einen grossen Umschwung erhielt die Kerzengiesserei durch die Verwendung der Kerzengiessmaschinen. Selbst die ersten Fabriken dieser Branche arbeiteten noch bis zum Beginne der Siebzigerjahre mit den sogenannten Handformen.

Zu Ende der Sechzigerjahre existirten in Frankreich schon Maschinen zum Giessen der Kerzen; diesen hafteten aber noch so viele Nachtheile an, dass sie sich hier nicht einbürgern konnten. Erst durch die Kerzengiessmaschine von Reinhold Wünschmann in Leipzig hat sich diese hervorragende Neuerung in allen Stearinfabriken der Welt Eingang verschafft.

Im grossen und ganzen ist die Construction der Wünschmannschen Kerzengiessmaschine seit circa fünfundzwanzig Jahren dieselbe geblieben, und beziehen sich die Aenderungen daran nur auf kleine Details, die nicht von besonderem Belange sind. Die Wünschmannsche Kerzengiessmaschine wird auch in einigen

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