Erst im Jahre 1854 begann man das Glycerin in Form von Rohglycerin darzustellen, welches alsbald eine beschränkte Verwendung zu Seifen, in verschiedenen chemischen Gewerben und in der Textilindustrie fand. Einen grossen Aufschwung hat die Verwendung des Glycerins genommen, als es gelang, durch Destillation des Rohglycerins mit überhitztem Wasserdampf chemisch reine Qualitäten darzustellen.
Im Jahre 1867 führte F. A. Sarg’s Sohn in Eiesing die Destillation des Glycerins in Oesterreich ein. Durch die Destillation des Rohglycerins allein gelingt es jedoch nicht, Glycerine von vollkommener Farblosigkeit zu erhalten, weshalb die Destillate noch durch Filtration über Knochenkohle oder in neuester Zeit durch Behandlung mit Entfärbungspulver vollkommen gereinigt werden müssen. Erst als gereinigtes Glycerin hat dasselbe eine ausgebreitete Verwendung erlangt, wie in der Pharmacie, in vielen chemischen Gewerben, zur Herstellung der Hektographenmassen, in der Glycerinseifenfabrication, in textilen Industrien und im grössten Maasse zur Erzeugung des Nitroglycerins.
Im grossen Maasstabe wird die Raffination und Destillation von Rohglycerin nur von drei Stearinfirmen in Oesterreich betrieben, nämlich von E. A. Sarg’s Sohn in Liesing bei Wien, der Ersten österreichischen Seifensieder-Gewerksgesellschaft »Apollo« in Wien und seit einem Jahre von der Firma G. Schicht in Aussig a. d. Elbe.
Das von den österreichischen Stearinfabriken erzeugte Quantum Rohglycerin reicht für den Bedarf an raffinirten Glycerin nicht aus, und muss aus dem Auslande Rohglycerin, theilweise auch Dynamitglycerin zur weiteren Raffination bezogen werden.
Begünstigt durch einen niedrigen Zoll auf raffinirtes Glycerin werfen heute die cartellirten Glyeerin- raffinerien Deutschlands ganz bedeutende Mengen destillirtes Glycerin auf den österreichischen Markt zu Preisen, bei welchen die Glycerinraffination hier keine Rentabilität mehr bietet, und schädigen dadurch die heimische Industrie.
Die technischen Einrichtungen dieser Fabrication bestehen in den Destillirapparaten aus Kupfer und den hiezu nöthigen Condensatoren, die wohl in jeder der drei österreichischen Glycerinraffinerien anders construirt sind, aus Filteranlagen mit Knochenkohle und Filterpressen zur Entfärbung des Glycerins mit Entfärbungspulvern. Zur Concentration der Glycerinwässer dienen entweder kupferne, mit Dampfschlangen geheizte Pfannen oder Vacuumconcentrations-Anlagen, wie solche bei der Ersten österreichischen Seifensieder-Gewerksgesellschaft »Apollo« schon seit vielen Jahren in Verwendung stehen. Bei den zur Glycerindestillation erforderlichen grossen Kohlenmengen muss auch bei dieser Industrie auf grösste Kohlenökonomie gesehen werden.
Im Hinblick auf die immer steigende Verwendung von raffinirtem Glycerin ist auch für die nächste Zukunft noch auf grösseren Absatz zu rechnen.
4. Die Margarinfabrication.
Im Jahre 1869 erfand der französische Chemiker Mege-Mouries ein Verfahren, aus frisch geschmolzenem Rindertalg ein Speisefett von hervorragenden Eigenschaften, das Margarin, herzustellen. Seit dieser Zeit hat sich die Talgschmelzerei, besonders in grösseren Städten, auf einer neuen Basis entwickelt.
F. A. Sarg’s Sohn führte 1873 i n Liesing bei Wien die Margarinfabrication ein, und dann folgte im Jahre 1875 auch die Erste österreichische Seifensieder-Gewerksgesellschaft »Apollo«. In rascher Folge entstanden die Fabriken von A. Himmelbauer Sc Comp, in Stockerau, Semmler Sc Frenzei in Brünn, J. Siebenschein in Wien, Gust. Wagenmann in Wien, Joh. Hoffmann in Graz, J. Moll Sc Cie. in Wien, J. Uiblein Sc Sohn in Wien, H. Färber in Wien, die Wiener Fleischhauer Cie., Steger & Co. in Jedlesee, die Wiener Margarin-Compagnie und mehrere kleinere Fabriken. Von diesen Firmen hat F. A- Sarg’s Sohn in Liesing, Gust. Wagenmann in Wien, A. Himmelbauer Sc Cie. und in letzter Zeit J. Moll & Cie. diese Fabrication wieder aufgelassen.
Die grösste Margarinfabrik Oesterreichs ist heute die der Ersten österreichischen Seifensieder-Gewerksgesellschaft »Apollo« in Wien, die jährlich ein Quantum von circa 5,000.000 Kilogramm Rohtalg verarbeitet.
Bis vor wenigen Jahren wurde ein grosser Theil des in Oesterreich erzeugten Margarins nach Holland und Deutschland zur Ivunstbutterfabrication exportirt, heute findet dasselbe fast schon vollständig im Inlande für diesen Zweck Verwerthung. Die Darstellung von Margarin beruht darauf, dass der frische, vom Schlachthause in die Fabriken eingelieferte Rohtalg sorgfältigst sortirt und nur die geruchlosen Lungen-, Nieren- und Netzfettheile auf Margarin ausgeschmolzen werden.