Oesterreich konnte für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, die höchstgelegene Alpenstrasse zu besitzen, welche, über das Stilfserjoch führend, unter Kaiser Franz I. 1821 bis 1825 fertiggestellt wurde und an 3 Millionen erforderte. Sie überragt mit der erklommenen Seehöhe von etwa 2780 Meter die übrigen Alpenübergänge, die des Furka, des Gotthard und des Simplon.
Die Kunst des Strassenbaues, welche in Oesterreich seit Beginn unseres Jahrhunderts mit grosser Sorgfalt gepflegt wurde und in der bei unseren alten Strassen, insbesondere in Böhmen Hervorragendes geleistet worden war, blieb an Entfaltung während der Periode, die wir zu schildern hier unternehmen, gegenüber den anderen grossen Aufgaben etwas zurück. Demungeachtet haben wir auch hier bedeutende Fortschritte zu verzeichnen. Die Landstrasse musste ihre Aufgabe als Vermittler für den Weltverkehr in dem Maasse aufgeben, als die Eisenbahn denselben übernahm. Umso bedeutungsvoller wurde aber ihre Aufgabe, als Saugader für die letztere zu wirken, und so sehen wir neben der Herstellung von Ergänzungen des Strassennetzes insbesondere eine Reihe von Wegen entstehen, die als Zufuhrstrassen zu den Bahnen und als Communicationsmittel innerhalb der Verkehrscentren diesen Zweck zu erfüllen hatten.
Als Beispiel unter vielen hervorragenden Strassenbauten, welche in die Regierungsperiode Sr. Majestät des Kaisers fallen, nennen wir die Strasse, welche das innere Salzkammergut erschliessen sollte, das früher nur auf dem Wasserwege zugänglich war, nämlich die Strasse von Traunkirchen nach Ebensee, ein Bau, welcher an Bedeutung den der Axenstrasse in der Schweiz kaum nachsteht. Auch an Umlegungen steiler, unökonomischer Strassenzüge fehlte es nicht. Wir erwähnen unter anderem als kleines Beispiel den vor wenigen Jahren hergestellten Umbau der Reichsstrasse, welche in Oberösterreich bei Neufelden angelegt wurde und in mässigen Serpentinen zur Höhe hinanführt.
Das Netz der öffentlichen Strassen in Oesterreich ist von 53.000 Kilometern im Jahre 1848 auf mehr als 106.000 Kilometer im Jahre 1896 angewachsen. Insbesondere waren es die Gemeinde- und Bezirksstrassen, welche in dieser Hinsicht eine ganz bedeutende Entwickelung erfuhren. Ihr Netz hat sich in demselben Zeiträume von rund 40.000 Kilometer auf 91.000 Kilometer entwickelt, eine Zunahme, die auch dann noch bedeutend erscheint, wenn man berücksichtigt, dass mehrere bisher vom Staate erhaltene sogenannte ärarische Strassen als Land- oder Gemeindestrassen erklärt wurden. Nach Mittheilungen Birk’s ist in den Jahren 1873—1896 allein die Länge der Landstrassen von 3400 auf 3600 Kilometer, jene der Bezirksstrassen von 34.000 auf 52.000 Kilometer, jene der Gemeindestrassen von 30.000 auf 35.000 Kilometer gestiegen.
Auch auf dem Gebiete der Stadt Strassen hat bekanntlich Oesterreich nicht Unbedeutendes geleistet. Ist doch W T ien die Stadt, wo (um 1830) das regelrecht behauene Würfelpflaster zuerst seinen Einzug hielt. Der städtische Strassenbau hat durch die Einführung von Asphaltpflasterstrassen, die um 1870 in Wrien zuerst angewendet wurden, durch Verwendung der Holzstöckel lärmdämpfende Constructionen erhalten. Die Fusswege haben durch Einführung des Klinkersteinpflasters wesentliche Verbesserungen erfahren. Im Jahre 1892 besass Wien 54.750 Quadratmeter Asphalt- und 37.760 Quadratmeter Holzstöckelpflaster.
Das Bedürfnis, innerhalb der grossen Verkehrscentren eine rasche Beförderung zu erzielen und insbesondere die Vororte mit den grossen Städten in innige Verbindung zu bringen, gab den ersten Anlass zur Anlage von Strassenbahnen. Die 4 Kilometer lange Strecke Schottenring—Dornbach inaugurirte am 4. October 1865 den Strassenbahnverkehr Oesterreichs. Dieselbe wurde von der Genfer Bauunternehmung C. Schaeck, Jaquet und Comp, geschaffen, die Idee selbst rührte vom österreichischen Ingenieur G. v. Drey- hausen her. Der Ausbau des Netzes erfolgte allmählich. Heute stehen über 170 Kilometer Geleise im Betrieb. Das Verkehrsnetz der Wiener Tramwaygesellschaft wird durch jenes der Neuen Wiener Tramwaygesellschaft wirksam ergänzt, welche, 1873 ihre Aufgabe beginnend, heute ein zweigeleisiges Netz von über 20 Kilometer Länge betreibt.
1875 treffen wir in Prag, bald darauf in Triest und Graz Pferdebahnen, 1880 folgte die Strecke Linz—Urfahr; im selben Jahre werden in Lemberg, später in Krakau Strassenbahnen eingeführt. Seit 1891 verbindet eine Bahn die Stadt Klagenfurt mit dem Wörthersee. In den Jahren 1892 und 1893 hat die Salzburger Eisenbahn- und Tramwaygesellschaft einige Pferdebahnen in Betrieb gestellt. Doch nicht der Pferdebetrieb allein, auch der Betrieb mittelst Dampf wurde eingeführt, sogenannte Dampftramways entstanden. Die Linie Wien—Hietzing—Perchtoldsdorf, Anlagen in Brünn, Salzburg, Innsbruck kamen zur Ausführung. Die erste elektrische Stadtbahnlinie wurde durch die Strecke Mödling—Hinterbrühl von der
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