Eine merkbare Wandlung in dieser tristen Situation erfolgte erst 1852. Hiezu hatte vorzugsweise die Schulreform den Anstoss gegeben. Es wurde mit dem veralteten Lehrsystem gebrochen, neue Schulen wurden gegründet, und an die Stelle alter traten neue Lehrbücher und Lehrmittel. Auch Handel und Verkehr begannen sich nach und nach etwas zu beleben; es entstanden Vereine und Anstalten zu verschiedensten Zwecken, das Eisenbahnnetz wurde erweitert, die periodische Literatur wagte sich wieder hervor, und ebenso war auch ein Wachsthum an wissenschaftlichen Werken wahrnehmbar. Dass das insgesammt nur eine wohlthätige Rückwirkung auf den Buchdruck übte, steht ausser Zweifel. Obwohl diese Wendung nur stufenweise vor sich gieng, so war sie doch darnach beschaffen, die Buchdrucker anzuspornen, auf Ver­besserung und Vervollkommnung ihrer technischen Einrichtungen bedacht zu sein. Die hiezu unternommenen Vorkehrungen standen freilich zu den in späteren Jahren getroffenen oder gar zu den heutigen in keinem Verhältnisse, doch bedeuteten sie immerhin einen wesentlichen Fortschritt, der es gestattete, den auch hinsichtlich des Geschmackes gesteigerten Ansprüchen gerecht zu werden.

Unter den Wandlungen, welche die Buchdruckerei als concessionirtes Gewerbe durchzumachen hatte, soll hier auch erwähnt werden, dass in den Ausgang der Fünfzigerjahre die definitive Beseitigung der bis dahin bestandenen Competenzstreitigkeiten fiel. Die Druckereien unterstanden nämlich lange der Jurisdiction der Universität, welche zu Beginn des laufenden Jahrhunderts häufig von den Gewerbebehörden angefochten, mit der 185g erfolgten Einführung des Gewerbegesetzes aber gänzlich aufgehoben wurde, so dass sie von diesem Zeitpunkte ab dem Einflüsse der Universität entrückt sind.

Auch in anderer Beziehung ist das Jahr 185g von Bedeutung für die Buchdrucker Oesterreichs. Sie besassen keine Innungen wie die anderen Gewerbe, die den Verkehr mit den Behörden zu besorgen hatten. Sie wählten nur Repräsentanten. Erst 1859 bildete sich in Wien auf Grund des Gewerbegesetzes ein Gremium, das damals die sämmtlichen graphischen Fächer umfasste, welchem Vorgänge alsbald auch mehrere Ivronlands-Hauptstädte folgten.

Hatte sich, wie oben ausgeführt, in den Fünfzigerjahren eine kennbare Besserung der wirth- schaftlichen und socialen Lage vollzogen, die dem Buchdruck ebenfalls zum Vortheil gereichte, so war es der Einführung der österreichischen Verfassung Vorbehalten, das politische Leben reger zu gestalten und hiedurch auch die Pressen in gesteigerte Bewegung zu setzen. Neben Werken und Broschüren politischen Inhalts erstanden, trotzdem das Jahr 1858 die zweifelhafte Segnung der Wiedereinführung des Zeitungsstempels gebracht hatte, neue Tages- und Wochenblätter, die sich an der Förderung der modernen Staatsinstitutionen lebhaft betheiligten. War hiedurch eine Vermehrung des Bedarfes an Werk- und Zeitungsdruck geschaffen, so war es andererseits das Auftauchen verschiedener Banken und Geld­institute, sowie die weitere Ausgestaltung der Industrie und des Verkehres, welche eine bedeutende Ver­mehrung des Accidenzdruckes nach sich zogen.

Diese Periode erwies sich überhaupt von günstigem Einfluss auf die Typographie. Es wurde durch das Entstehen neuer Zeitungen sowie das AVachsen ihrer Auflagen den Neuerungen auf dem Gebiete des Maschinen- und Pressenbaues und anderer Bedürfnisse für den Buchdruck grössere Aufmerksamkeit zugewendet. Das seit 3. Juli 1848 erschienene und Ende 1896 aufgelassene Journal »Die Presse«, für dessen Druck 1851 eine eigene Druckerei die erste selbstständige Zeitungsdruckerei Oesterreichs eingerichtet wurde, in der kürzere Zeit hindurch auch eine Wochenschrift, ein Kalender sowie ein italienisches Tagblatt hergestellt wurden, erlangte bis zum Jahre 1858 eine so hohe Auflage, dass die Siglschen Maschinen nicht mehr genügten. Man bezog daher in demselben Jahre aus Paris drei Perreausche Schnell­pressen, die jedoch später, da sie nicht befriedigten, in zweicylindrige umgewandelt wurden.

Im Jahre 1863 führte der Herausgeber dieses Journals auch die Papierstereotypie ein, die er bei seiner Anwesenheit in London kennen gelernt hatte. Es entfiel hiedurch die Nothwendigkeit, den Satz mehrfach hersteilen zu lassen. Diese Einrichtung, welche bald bei anderen Zeitungen und Privat- offieinen Nachahmung fand, bedeutete eine wesentliche Förderung des Zeitungs- und Massenauflage- Druckes.

In den Beginn der Sechzigerjahre fällt ferner eine Umwandlung auf dem Gebiete der Schrift- giesserei. Bis dahin hatte die Firma Gottlieb Haase in Prag, die sich durch ihre schönen und exacten Erzeugnisse ein weitreichendes Renommee erworben hatte, nebst den Hausgiessereien einzelner Buchdruckereien und ausländischen Giessereien das meiste Schriftenmateriale für Oesterreich beschafft. Zu der 1856 gegründeten selbstständigen Schriftgiesserei Friedrich Winter gesellte sich nun im Jahre 1862

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