eine neue, indem die Leipziger Schriftgiesserei j. G. Scheiter & Giesecke eine solche in Form einer Zweigniederlassung in Wien errichtete, die später in den Besitz der Herren Meyer 8 z Schleicher übergieng und gleich zu Beginn mit vier Giessmaschinen arbeitete, deren Zahl sich 1870 bereits auf 23 belief. Dieser Officin schloss sich 1865 eine dritte an, J. H. Rust & Co., welche die Einführung des Pariser Systems in Oesterreich förderte.
Ende der Sechzigerjahre kam die Tretpresse, die grosse Umwälzungen im typographischen betriebe hervorrief und allmählich in ganz Oesterreich zur Geltung und Verbreitung gelangte. Anfangs freilich gering geachtet, wurde dieser immer mehr verbesserte Druckapparat bald von hoher Bedeutung für die Wiener und in der folge für die gesammte österreichische Druck-Industrie.
Einen grossartigen Einfluss auf die Entwickelung des Zeitungswesens nahm die am 1. September 1864 zum erstenmale erschienene »Neue Freie Presse«, die gleich anfangs einen in Oesterreich ungewohnten Erfolg aufwies. Schon nach fünf Jahren, genau vom Tage des Erscheinens der ersten Nummer, wurde ein mit den modernsten Einrichtungen ausgestattetes eigenes Geschäftshaus eröffnet. Die Auflage des Blattes hatte innerhalb dieser Zeit derart zugenommen, dass auch für leistungsfähigere Pressen gesorgt werden musste. Der bei Beginn des Erscheinens vom Satze auf zwei, später fünf Sigl’schen Maschinen von Stereotypplatten hergestellte Druck des Journals erfolgte nunmehr in der gänzlich neu eingerichteten Druckerei desselben auf zwei sechsfachen Rotations-Schnellpressen mit Schön- und Widerdruck, die von Marinoni in Paris bezogen worden, und an welchen je sechs Einleger beschäftigt waren. Diese Maschinen lieferten 8000 Exemplare pro Stunde. Es waren dies die ersten in Oesterreich aufgestellten Rotationsmaschinen, welche kurz darauf nach Angaben des Druckereidirectors Christoph Reisser eine solche Umgestaltung erfuhren, dass von dieser Zeit ab 9000 Exemplare pro Stunde von endlosem Papier gedruckt werden konnten.
Das Kriegsjahr 1866 reducirte die gewerbliche Thätigkeit überhaupt und führte,, mit Ausnahme des Zeitungsdruckes, der sich steigerte, auch eine Verminderung der typographischen Aufträge herbei. Doch wich dieselbe bald einem vermehrten Bedarfe an Drucksachen, da das Geschäftsleben ungemein rege zu pulsiren anfieng. Von diesem Zeitabschnitte datirt überhaupt ein neuer wesentlicher Fortschritt in der Typographie sowie den verwandten Branchen. Die deutsche Industrie, welche nach 1871 mächtig aufstrebte, nahm einen wesentlichen Einfluss auch auf die österreichische Druck-Industrie. Es begann eine vermehrte Einfuhr von Schriftenmaterial, Maschinen und Utensilien, wodurch die heimische Production in allen diesen Zweigen ebenfalls angespornt wurde. Der inländische Maschinenbau war vor Allem darauf bedacht, seine Erzeugnisse nach jeder Richtung hin zu heben, und seine Bestrebungen waren meist von sehr guten Resultaten begleitet.
An erster Stelle ist hier die Firma G. Sigl zu nennen, welche nicht nur die ersten Schnellpressen in grösserer Anzahl in Oesterreich gebaut hatte, sondern auch an deren Vervollkommnung mit schönstem Erfolge unablässig thätig war, bis sie durch eine bedauernswerthe Verkettung der Umstände, die zum Pressenbau ausser jeder Beziehung standen, ihr grossartig eingerichtetes Etablissement zu schliessen gezwungen wurde. Ihr zunächst stand die Maschinenbauanstalt H. Löser (später L. Kaiser), deren Begründer aus der Sigl’schen Fabrik hervorgegangen ist. Auch ihr sind namhafte Verbesserungen der Flachdruck-Schnellpresse zu verdanken. Diesen reihten sich später gleichfalls mit erfolgreichen Bemühungen die Maschinenfabriken von Josef Anger & Söhne sowie Karl Neuburger an.
Eine weitere Neuerung auf dem Gebiete der Buchdruckmaschinen in Oesterreich waren zwei 1872 aus England eingeführte Rotationsmaschinen zum Drucke der »Presse«, denen die Perreau’schen Schnellpressen weichen mussten. Sie waren nach dem Muster der zum Drucke der »Times« benützten Pressen gebaut und vollständig selbstthätig. Das Rollenpapier für dieselben musste anfangs aus Plngland bezogen werden, wurde aber später in Pitten erzeugt. Diese »Walterpressen« genannten Maschinen wurden nun auch zum Drucke des Kataloges für die 1873er Weltausstellung benützt, welcher in einer Auflage von mehreren hunderttausend Exemplaren erschien.
Mit diesen Vervollkommnungen zur Hebung der inländischen Druck-Industrie verbanden sich vielfache Verbesserungen der Stereotypie und anderer zum Drucke erforderlicher Dinge. Dazu trat noch der seit Ende der Sechzigerjahre anhaltende Aufschwung der allgemeinen Geschäftslage, die Gründung von neuen Zeitungen, einer grossen Reihe von Banken sowohl in der Hauptstadt als m den Kronländern. Diese Erhöhung der Thätigkeit und des hieraus entspringenden Verdienstes gab stets erneute Anregung
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