zur noch weiteren Ausgestaltung der bereits vorhandenen Hilfsmittel, aber auch zu gänzlich neuen Erfin­dungen, die fast sämmtlich, dem ausgedehnteren Bedarfe entsprechend, in die Buchdruckereien reichlich Eingang fanden.

Allmählich rückte das Ausstellungsjahr 1873 heran. Gross waren die Vorbereitungen, die allerwärts getroffen wurden, um Oesterreichs Industrie als würdigen Concurrenten auf dem Weltmärkte erscheinen zu lassen. Die Druckereien waren in Folge dessen mit der Ausführung von Aufträgen vollauf beschäftigt, ja, man kann sagen überbürdet. Trotzdem machte sich im Verlaufe dieser Periode eine stets zunehmende Geschmacksverfeinerung derselben bemerkbar, und Oesterreichs Buchdrucker waren folglich im nächsten Jahre auf der grossen Weltschau schon in glänzender Weise vertreten. Sie konnten sich kühn an die Seite ihrer deutschen Rivalen stellen, welche schon viel früher und unter weit günstigeren Bedingungen produ- cirten, bei all dem aber auch nicht während mehr als zwei Decennien durch press- und gebührengesetzliche Bestimmungen an ihrer Entfaltung gehindert waren, wie ihre österreichischen Collegen.

Das Ausstellungsjahr förderte aber auch eine Erscheinung zu Tage, die mit Fug und Recht als österreichisches Erzeugnis bezeichnet werden darf, wenngleich eine ausländische Aneiferung hiezu vorlag. Im Ausstellungspavillon der »Neuen Freien Presse« wurde zum Drucke der »Internationalen Welt­ausstellungs-Zeitung« eine Rotationsmaschine aufgestellt, die von G. Sigl in Wien gebaut war und tadellos fungirte. Sie gab die Anregung zur Nachahmung, und schon kurz darauf trug man sich bei ver­schiedenen Zeitungsunternehmungen, welche inzwischen eigene Druckereien errichtet hatten, und von denen hier jene in den Ivronländern, die sich zu dieser Zeit noch keines so intensiven Zeitungsbetriebes erfreuten wie heute, nicht in Betracht kommen, mit Plänen zur Einführung von Rotationsmaschinen. Doch hegte man anfangs besonders der Stereotypie wegen Bedenken. Man begegnete ihnen mit einigem Misstrauen und zeigte die alte Vorliebe für Perreausche und Hummelsche Flachdruck-Schnellpressen mit Tisch- und Cvlinderfärbung. Mit der Zeit aber, besonders als die Bedenken bezüglich der Stereotypie überwunden waren, hielten die Rotationsmaschinen im Laufe der Jahre ihren Einzug in die hervorragenderen Zeitungs­und Privatdruckereien Wiens und selbst der Provinz. In einzelnen Privatofficinen sind heute bereits auch Mehrfarben-Rotationsmaschinen in Thätigkeit.

Von Interesse ist es, die Leistungsfähigkeit der Presse überhaupt in ihren verschiedenen Abstufungen seit ihrem Entstehen zu verfolgen. 1830, als noch fast durchgängig Holzpressen in Verwendung standen, bedurfte es zweier Arbeiter, um auf einer solchen bei grossem Fleisse 350 Exemplare in der Stunde zu erzeugen, welche noch dazu recht roh und unsauber aussahen. Die 1833 in Oesterreich eingeführte Cylindermaschine ergab aber bereits 1000, die 1840 verbesserte 1500 und die 1846 eingeführte doppelte Cylindermaschine 2000 Exemplare pro Stunde. Die 1849 in Verwendung genommene Hoesche Blitz­maschine druckte 10.000, die 1867 aufgetauchte Zehncylindermaschine 25.000, die 1868 erfundene, 1872 bei der »Presse« eingestellte Walter-Rotationsmaschine, die complete Exemplare lieferte, 11.000, Marinonis Rotationsmaschine 8000, und die in ihrer Verbesserung 1873 eingeführte Rotationsmaschine, welche gleichfalls complete Exemplare lieferte, 12.000 Exemplare pro Stunde. Schliesslich sei auch an die hervorragenden Erzeugnisse ausländischer Schnellpressenfabriken, an deren Spitze Koenig & Bauer, Frankenthal, Johannis­berg stehen, erinnert, welche stark eingeführt wurden und der österreichischen Druck-Industrie gut zu statten kamen.

Neben der Maschinen-Industrie, die eine so günstige Wirkung auf die österreichische Druck- Industrie übte, trugen auch die Schriftgiesserei und Papierfabrication ihr reichlich Theil zur Förderung derselben bei. Die nun vermehrten selbstständigen Giessereien waren immer mehr bestrebt, in ihren Erzeugnissen mit den guten Erscheinungen des Auslandes den Wettbewerb zu bestehen, und diesem Ansporn, sowie vorzüglich der eigenen Initiative sind sehr schöne Schriften, Einfassungen und anderes nützliches Materiale entsprungen. Es sei hier an des genialen Stempelschneiders Karl Brendler prächtige Schreib- und andere Schriften und Einfassungen erinnert. Auch die 1870 gegründete Giesserei Poppel­baum, dann die Firmen Meyer & Schleicher, J. H. Rust & Comp, in Wien, sowie Haase in Prag machten sich durch ihre schönen und gut verwendbaren Erscheinungen um den Buchdruck Oesterreichs verdient.

In ihrer Vervollkommnung hat die Schriftgiesserei mehrere sehr bemerkenswerthe Etappen des Fortschrittes aufzuweisen. Während 1830 ein Schriftgiesser pro Tag zu zwölf Arbeitsstunden mit dem besten Handinstrument nur 5500 Lettern erzeugte, die dann erst noch genauer bearbeitet werden mussten, um

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