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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Sechster Band
Entstehung
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die photographischen Gelatinereliefs galvanoplastisch oder stereotypisch abformte (vgl. Eders »Ausführliches Handbuch der Photographie«, 2. Auflage, Bd. IV 7 ); Pretsch arbeitete in der Wiener Hof- und Staatsdruckerei, welcher damals der höchst verdienstvolle Hofrath A. Auer 1 ) Vorstand. Da Auer für alle graphischen Methoden lebhaftes Interesse bekundete und auch die Galvanoplastik in seinem Institute lebhaft betrieb, so fand Pretsch die Vorbedingungen für seine Erfindung vor. Geschäftliche Erfolge vermochte Pretsch aber nicht zu erreichen. 2 )

Die Erfindung von Pretsch wurde mit einiger Modification auch von Jos. Leipold, Director des kartographischen Institutes in Lissabon, ausgeführt und auch für Buchdruckzwecke angewendet.

Günstiger gestaltete sich die galvanoplastische Abformung von Pigmentbildern eine Variante der Pretsch-Methode, welche in England und Frankreich zuerst aufgetaucht und von Emanuel Schiel- habl (genannt Mariot) in Graz (wahrscheinlich selbstständig) aufgegriffen wurde. Es gelang ihm, den Gruppen­vorstand im Militär-geographischen Institute in Wien dafür zu interessiren, so dass Mariot dorthin berufen wurde und x 869 die ersten Generalstabskarten (unter starker Nachhilfe des reinen Kupferstiches) mittelst dieser Methode reproducirte; hiemit war die Photogalvanographie unter allen Staaten zuerst in Oesterreich für die Praxis der Kartographie nutzbar gemacht (später besonders von Roese weiter ausgebildet, welcher in der Folge, 1883, in leitende Stelle an die Berliner kaiserliche Reichsdruckerei berufen wurde). Die österreichische Privat-Industrie aber konnte dieser Errungenschaft des genannten Institutes nicht theilhaftig werden, da im Militär-geographischen Institute damals leider das Princip der strengen Geheimhaltung herrschte. Erst später, namentlich auf Grund der Einflussnahme des Oberstlieutenants 0 . Volkmer (18771886) wurde glücklicherweise mit diesem Principe gebrochen.

Sowohl O. Volkmer als sein Nachfolger im Militär - geographischen Institute, Baron Hübl, machten sich durch werthvolle Fachpublicationen sehr verdient; Ersterer namentlich betreffs der Repro- ductionstechnik (Heliogravüre etc.), Letzterer bezüglich orthochromatischer Photographie, Collodionemulsion, Photogrammetrie, Platinotypie, Rasterdrucke von geschummerten, lavirten Tuschzeichnungen, sowie ins­besondere durch genaues Studium des Glycinentwicklers als Standentwickler. Alle diese Arbeiten wurden durch die Vorstände, die Generäle Heinrich Ritter von Schönhaber (f 1879) und Arbter (f 1895), sowie später von General v. Steeb in hervorragender Weise gefördert, und die wissenschaftliche Bethätigung des Militär-geographischen Institutes fand ruhmvolle Anerkennung der Fachkreise des In- und Auslandes. 3 )

Die in den Siebziger- und Achtzigerjahren in der Staatsdruckerei auf grossen Umsatz und Stei­gerung des Erträgnisses abzielenden Druckarbeiten wurden später auf Grund mehrfacher Beschwerden der Privat-Industriellen auf das richtige Maass eingeschränkt und der Schaffung künstlerischer Producte mehr Augenmerk zugewendet.

Für diese Hebung der künstlerischen graphischen Production der Hof- und Staatsdruckerei waren Hofrath von Beck, dann besonders Director O. Volkmer und der technische Inspector und spätere Vicedirector Regierungsrath G. Fritz von grossem Einfluss; Ersterer führte heliographische Methoden, Letzterer manche werthvolle Neuerungen auf dem Gebiete des Buch- und Steindruckes ein, z. B. das directe Autotypiecopir-Verfahren mittelst Chromatleim auf Stein und Aluminium und eine neue Methode der Strich- heliogravure mittelst Aetzung etc. Der polychrome Combinationsdruck mit photographischer Grundlage wurde mächtig gefördert (Oberfactore Nagy, Speer, Factor Hesse) und zahlreiche prächtige Verlagswerke in den Neunzigerjahren verdanken ihre Entstehung der Hof- und Staatsdruckerei.

Vor 30 bis 40 Jahren (s. o.) wurden die heliographischen Methoden des Kupferdruckes in Oester­reich nur an der Staatsdruckerei und im Militär-geographischen Institute, und auch da nur in geringem Maasse, für Zwecke des Kunstverlages erzeugt; die alten Methoden waren nämlich für Halbtonrepro-

>) Auer hatte 1852 den Naturselbstdruck unter Mitwirkung des doit angestellten Factors Worring erfunden und für Buchillustration eingeführt. Nachträglich wurde bekannt, dass Peter Kyhl in Kopenhagen sogar schon 1830 derartige Versuche gemacht habe, ohne dass er bis dahin irgend etwas publicirt hatte. Somit wird Auers Verdienst dadurch nicht geschmälert.

-) Pretsch versuchte sein Verfahren in England einzuführen, erzielte dort sehr schöne Leistungen, sein Geschäft gieng aber trotz­dem schlecht, er kehrte nach Wien in die Hof- und Staatsdruckerei zurück und starb 1872 an der Cholera.

3 ) Das Militär-geographische Institut spielt eine grosse Rolle in der Geschichte der graphischen Reproductionsverfahren. Es war 1806 als typographische Anstalt gegründet, 1818 durch Einführung der Lithographie erweitert, 1839 wurde das »Institute geografico militare« in Mailand damit verschmolzen. 1862 wurde durch Ritter von Schönhaber die photographische Methode eingeführt, und bereits 1865 die Photo­lithographie mittelst Schnellpresse gedruckt. Mariot führte (18691891) die Heliographie und Chemigraphie ein; die erstere wurde namentlich durch Wilh. Roese (1871 1883) für die Praxis der Photographie brauchbar gemacht. Besondere Verdienste um die Hebung der wissenschaft­lichen Seite der Photographie an diesem Institute gebühren O. Volkmer und (seit 1886) Oberstlieutenant Baron Hübl, dessen Arbeiten aus der letzten Zeit Photogrammetrie, farbenempfindliches Verfahren, Platinprocess, Rasterdrucke auf geschummertem oder lavirtem Terrain, Zeich­nungen auf Aluminium etc. betreffen. Ferner sind die Arbeiten von Maschek und-Glotz (Leiter der heliographischen Abtheilung), sowie von Regierungsrath Hödlmoser (Leiter der lithographischen Abtheilung) rühmend zu erwähnen.

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