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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Sechster Band
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eingeführt zu haben. Er nahm am 5. Juli 1877 ein österreichisches Privilegium auf sein Kornpapier­verfahren, und viele Künstler der damaligen Zeit (Katzler, Ivlic, Loci, Juch, Weixelgärtner u. A.) zeichneten als Illustratoren auf derartigem Papier, welches das beste seiner Art war und blieb. 1880 brachte Anger er zuerst das sogenannte Schabpapier mit Raster in den Handel, welches für Herstellung von Zeichnungen für Buchdruck-Clichös besonders geeignet war.

Die durchgreifendsten Erfolge aber wurden erst qjit der Herstellung von Halbton-(Raster-)Clichös (Autotypie) auf rein photographischem Wege erzielt, und zwar durch Zerlegen eines Halbtonbildes (z. B. einer gewöhnlichen Photographie) in Punkte und Striche durch Vorschalten eines Lineatursystems in der photo­graphischen Camera. Die ersten Anfänge dieser Methode reichen weit zurück. C. Angerer arbeitete bereits 1879 im Sinne jener älteren Experimentatoren, welche gekreuzte Lineaturen knapp vor der photo­graphischen Platte in die Camera einschalteten. 1883 brachte Meisenbach in München eine bedeutende, erfolgreiche Neuerung auf diesem Gebiete; er wendete lineare Raster an, und erzeugte Rasternegative nach Glasdiapositiven, wobei er mit Unterbrechung unter Drehung des Rasters um 90° belichtete. Noch im selben Jahre trat Angerer mit einem weit einfacheren und billigeren Verfahren hervor, indem er direct nach photographischen Papierbildern Halbtonnegative erzeugte und in Zink ätzte. Er belichtete anfänglich zweimal unter Drehung des Rasters mit doppelter Belichtung und erhielt ein Patent auf die hiebei in Anwendung kommende Cassette und deren Verschlussvorrichtung. Später kam man von der Unterbrechung der Belichtung ab und es wurde die amerikanische Methode der einmaligen Belichtung hinter einem Kreuzraster mit veränderlichem Abstande allerorts, auch in Wien, eingeführt. Die verdienstvolle Rührigkeit Carl Angerers, mit welcher er alle auftauchenden Neuerungen seinen eigenen Erfindungen anpasste, bewirkten das rasche Emporblühen seines Etablissements, welches eines der grössten und leistungsfähigsten der Welt geworden ist. Die Theorie der Autotypie wurde durch die Arbeiten von Placzek an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, sowie von W. Weissenberger in Wien (später in St. Petersburg) gefördert.

In Prag führte Professor J. Husnik 1879 die Photozinkotypie ein. Er erfand 1887 eine

Methode, in der Buchdruckerpresse direct von der photographischen Leimschichte zu drucken (Leimtypie), welche sich sehr gut zur Erzeugung von Wasserzeichen, sowie zu einer originellen Art der Kraftzurichtung (1895) eignet. Solche Kraftzurichtungen wurden jedoch schon im Jahre 1886 von Oskar Pustet hergestellt.

Husnik arbeitete in Oesterreich 1893 zuerst (in Gemeinschaft mit seinem Sohne Dr. Jaroslav Husnik) die photographische Dreifarbenzinkotypie praktisch aus und lieferte gute derartige Illustrations­beilagen (namentlich für botanische Werke). Den zinkographischen Mehrfarbendruck (Vierfarben- und Mehrfarbendruck hatten allerdings viel früher Angerer & Göschl in Wien 1 ) (und vor diesen wahr­scheinlich Boussod und Valadon in Paris) eingeführt; die Ansichten, ob der Drei- oder Vierfarben­druck praktisch vortheilhafter sei, sind noch nicht endgiltig geklärt, obschon für Reproduction von

Kunstblättern der Letztere zu siegen scheint.

Später entstanden in Oesterreich namentlich seit dem Bekanntwerden des sogenannten ameri­kanischen Kupferemailverfahrens verschiedene Aetzanstalten, welche sehr gute Autotypien erzeugten, z. B.: Sztranyak, Eitelhuber und Weingärtner, Perlmutter, Wottitz u. A. in Wien, Jan Vilim in Prag etc.

Der eigentliche Aufschwung der Hochätzkunst in Wien datirt von 1870, als C. Angerer ein von dem Verfahren Gillots wesentlich verschiedenes Aetzverfahren fand, welches er »Chemigraphie« nannte und das späterhin von mehreren Fachschriftstellern als »Wiener Aetzmethode« zum Unterschiede von Gillots »französischer Aetzmethode« bezeichnet wurde. Angerers Verfahren wich von der lithographischen Behandlungsart der befeuchteten Zinkplatte gänzlich ab, er machte die erste Aetzung sehr tief und arbeitete mit trockener Deckung und Einstauben mit Harzen von verschiedenen Schmelzpunkten.

Bartos in Wien hatte das Sandgebläse zur Herstellung von Halbtonclichös zuerst in Oesterreich eingeführt; dieses Verfahren hatte im Auslande bisher zur Erzeugung von mattirten Glasbildern gedient.

Mit der Chemigraphie hängt auch die Stein- und Metallätzerei in jenen Formen zusammen, welche decorativen Zwecken dienen. 2 ) Hugo Würbel in Wien ätzte schon 1866 für die Firma Conräty & Corra

') Die Chromozinkotypie in flachen Tönen hatte C. Angerer 1870 bereits ausgeübt; die Farbenautotypie mit mehreren Farben 1888. -) Die ersten Arbeiten dieser Art haben wohl die Franzosen Negre und Niepce de St. Victor (1857) ausgeführt. (Vgl. Eders > Aus­führliches Handbuch der Photographie«. 2. Auflage, Bd. IV, S. 623 und 625.)

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