Die ersten regelmässigen Vorlesungen über »Photochemie« hielt 1880 J. M. Eder als Privatdocent an der W iener technischen Hochschule (später als a. o. Professor) ab. Damals stand kein Special-Labo­ratorium zur Verfügung, wohl aber wurde durch Subventionen vom Handels- und Unterrichtsministerium die Anschaffung von Apparaten für den Vortragenden gefördert.

Unabhängig davon strebte der Director der Salzburger Staatsgewerbeschule C. Sitte eine Abtheilung für Reproductionsphotographie an, welche im Jahre 1878 vom Unterrichtsministerium (unter Mitwirkung der Gemeinde Salzburg) activirt wurde und der ganzen Anlage nach nur die Praxis dieser Verfahren berücksichtigte. Der Unterrichtsminister Dr. Gautsch Freiherr von Frankenthurn und der da­malige Referent im Unterrichtsministerium und spätere Minister Graf Vincenz Baillet-Latour erkannten die Bedeutung der Photographie für die Industrie und deren Zusammenhang mit Wissenschaft und Kunst und beauf­tragten Prof. Eder mit der Ausarbeitung eines Organisationsentwurfes einer auf breiterer Basis in Wien zu errichtenden Anstalt. Auf Grund desselben erfolgte laut Allerhöchster Sanction vom Jahre 1887 die Zusammenfassung der in Wien befindlichen Anfänge einer wissenschaftlichen Versuchsanstalt und der gewerblichen Abtheilung für Photographie in Salzburg, Angliederung von Zeichenschulen etc. zu der k. k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproductionsverfahren, welche unter that- kräftiger Mitwirkung der Gemeinde Wien im März 1888 eröffnet wurde. Im Jahre 1897 erfolgte die Erweiterung der Anstalt (auf Grund von Petitionen des Gremiums der Buchdrucker Wiens) durch Angliederung einer Section für Buch- und Illustrationsgewerbe und Aenderung der Bezeichnung in »k. k. Graphische Lehr- und Versuchsanstalt«, welche unter Minister Graf Bylandt-Rheidt ihre Ausgestaltung fand. Die Errichtung einer derartigen Staatsanstalt, welche durch Unterricht und Untersuchungen die photographi­schen Methoden und die zahlreichen damit zusammenhängenden Verfahren, sowie die wissenschaftliche Photochemie eifrig fördert, wurde als Fortschritt allgemein anerkannt; in dieser Beziehung ist Oester­reich allen anderen Staaten voraus, und diese Anstalt gilt als mustergiltiges Vorbild für analoge Be­strebungen im Auslande. 1 )

In dieser Anstalt fanden zahlreiche, zumeist bereits aus der Praxis stammende Personen ihre fachliche Fortbildung, und zahlreiche Untersuchungen über neuere Methoden, Geheimmittel, Apparate etc. verbreiteten nützliche Sachkenntnis.

Ausser den bereits im Vorhergehenden erwähnten Arbeiten der Angehörigen des Lehrkörpers der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt sind noch zahlreiche andere Neuerungen auf photographischem Gebiete von dort ausgegangen, welche in die Praxis übergiengen z. B. das saure Fixirbad, Entwickeln, Platin- und Tonungs-Methode (Prof. A. Lainer), Steigerung der Empfindlichkeit des Asphaltes, Cellofdin- und Aristopapierverfahren, Entwickelung von Auscopirpapieren, der Lichtpauserei, von Sensibilisatoren (Prof. E. Vale nt a), mechanisches Abschwächen von Gelatinenegativen und Dispersionsscheibe (Prof. H. Len- hard), die Herstellung von Collodiumemulsion (Jonas), Vierfarbendruck als eigenes System (eingeführt 1895), Combination von Chromophotolithographie mit Heliogravüre (Februar 1898), die Bekanntmachung mit den neu auftauchenden Objectivtypen, Entwicklern, photographischen Papieren, Kinematographen etc., Lipp- manns Photochromie, Vidals Dreifarbenprojection wurde den Wiener Fachkreisen durch die genannte Anstalt vermittelt, und manche Publication, welche photomechanische Methoden in ausgedehntem Maasse enthielt und der Wiener Privat-Industrie Anlass zu hervorragender Bethätigung gab, entstand unter Mit­wirkung der genannten Anstalt. 4 )

Die Leistungen der modernen wissenschaftlichen Photographie konnte man in Wien anlässlich der 66. Versammlung deutscher Naturforscher in Wien (1894) sehen, mit welcher eine Ausstellung in den Räumen der Wiener Universität verbunden war, an welcher namentlich die k. k. Graphische Lehr- und Versuchsanstalt sich hervorragend betheiligte.

Vielfache Anregung gab auch der III. Internationale Congress für angewandte Chemie in Wien (1898), bei welchem eine eigene Section mit der Chemie der graphischen Gewerbe sich befasste. Zu den an de.r Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt stattfindenden Berathungen der betreffenden Section fanden sich hervorragende Fachmänner aus allen Ländern ein, und die Berathungen förderten eminente praktische und theoretische Ergebnisse zu Tage. 3 )

f) Ueber die Geschichte der k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt (Beiblatt zum »Centralblatt für gewerbliches Ünterrichtswesen in Oesterreich«, 1898, herausgegeben im Aufträge des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht).

-) Vgl. Beiblatt zum Centralblatt für gewerbliches Unterrichtswesen, 1898.

3 ) Vgl. die betreffenden Congressprotokolle und »Photographische Correspondenz«, 1898.

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