Wenn auch die l'hätigkeit dieser Unternehmungen nicht auf die Anfertigung von Marktwaaren gerichtet ist, so ist dieselbe doch nicht minder eine productive, da sie verkehrschaffend und werth­erhöhend wirkt.

Direct auf das industrielle Gebiet greifen überdies die Eisenbahnen auch mit zahlreichen, für die eigenen Zwecke errichteten und betriebenen Hilfsanstalten hinüber. Als solche sind zu nennen: Eisenbahn­werkstätten, Gasanstalten, Imprägnirungsanstalten, Fahrkartendruckereien, Restaurationen etc.

Wesentlich unterscheiden sich jedoch die Eisenbahnen von anderen Unternehmungen ähnlicher Bedeutung dadurch, dass für ihr geschäftliches Calcul nur zum Theile das eigene Erwerbsinteresse maass­gebend ist, dass dieses vielmehr gar oft den Anforderungen weichen muss, welche aus öffentlichen Rücksichten gestellt werden.

Wenn dies hinsichtlich der in den Händen des Staates befindlichen Linien in erster Reihe der Fall ist, so gilt dies aber auch vielfach hinsichtlich der Privatbahnen, welche nicht nur durch die ihnen laut der Concessionsurkunden auferlegten Verpflichtungen, sowie durch aufsichtsbehördliche Einwirkungen, sondern auch vermöge des patriotischen Geistes, welcher in anerkennenswerther Weise bei den Privat­bahnverwaltungen herrscht, in Würdigung der hohen volkswirtschaftlichen Aufgabe, die den Eisenbahnen gestellt ist, sich zu Zugeständnissen herbeilassen, welche die Grenzen zwischen einer privatwirthschaft- lichen und einer gemeinwirthschaftlichen Verwaltung oft stark verschieben.

Derartige Zugeständnisse im Zusammenhalte damit, dass zahlreiche österreichische Eisenbahnen nur zum Theile solchen Erwägungen ihr Zustandekommen verdanken, welche sonst für die Creirung neuer Erwerbsunternehmungen allein maassgebend sind, haben es mit sich gebracht, dass nicht nur der Ertrag der Staatsbahnen hinter dem normalen Zinsfusse zurückbleibt, sondern dass auch die Erträgnisse vieler Privatbahnen sich nicht mit jenen der Industrien von gleicher Bedeutung messen können. *)

Diese Betrachtung führt uns von selbst zu dem eingangs bezeichneten zweiten Gesichtspunkte, von dem aus die Eisenbahnen im Rahmen des vorliegenden Werkes ins Auge zu fassen sind.

Einfluss der Eisenbahnen auf die Entwickelung der Industrie.

Nicht das Bestreben, lucrative Unternehmungen ins Leben zu rufen, nicht das Verlangen, für grosse Capitalien eine entsprechende Verzinsung zu erzielen, war hinsichtlich der meisten österreichischen Bahnen die Grundlage für deren Zustandekommen, sondern vielmehr die richtige Würdigung der wirtschaft­lichen Bedeutung eines wohlangelegten Eisenbahnnetzes als Förderer der productiven l'hätigkeit, als unentbehrliches Hilfsmittel für die Entwickelung von Ackerbau, Industrie und Handel; die Erkenntnis, dass ohne umfassende Ausgestaltung des heimischen Schienennetzes Oesterreichs Production und Handel sich in dem immer mehr zunehmenden internationalen Wettbewerbe nicht be­haupten, geschweige denn gedeihlich fortentwickeln könnte.

Ueberwiegend ist daher auch aus jener Zeit, in der das Staatsbahnsystem nicht mehr und noch nicht wieder in Geltung stand, die Zahl jener Hauptbahnen, für die zur Ermöglichung ihres Zustande­kommens seitens des Staates durch Reinertragsgarantien und Subventionen Opfer gebracht wurden.

In gleicher Weise bethätigen in neuerer Zeit, seit sich die Bauthätigkeit den Localbahnen zu­gewendet hat, auch die Länder und Gemeinden ihr Interesse an dem Zustandekommen neuer Eisenbahnen,

') So ergibt sich für die dermalen im Eigenthume des Staates stehenden und vom Staate für eigene Rechnung betriebenen Bahnen pro 1897 ^r ein Anlagecapital von 1.198,163.000 Gulden ö. W. nur eine Verzinsung von 2 8 Procent, wobei allerdings nicht übersehen werden kann, dass sich unter obigen Bahnen zahlreiche und ausgedehnte Linien befinden, deren Zustandekommen überhaupt nicht auf Erwägungen volkswirthschaftlicher Natur, sondern vielmehr auf Postulate der Landesverteidigung zurückzuführen ist, sowie auch berücksichtigt werden muss, dass die Höhe des Anlagecapitals der vom Staate erworbenen Privatbahnen auch vielfach durch Geldbeschaffungskosten, sowie Gründungs­gewinne in bedeutender Höhe beeinflusst wurde.

Von den im Privatbesitze stehenden österreichischen Hauptbahnen weisen pro 1897 nur vier (Aussig-Teplitzerbahn, Kaiser Ferdinands- Nordbahn, Buschtöhraderbahn und Leoben-Vordernbergerbahn) ein Actienerträgnis von mehr als 10 Procent und drei (Graz-Köflacherbahn, Ergänzungsnetz der österreichischen Nordwestbahn und Staatseisenbahn Gesellschaft) ein Erträgnis von mehr als 5 Procent aus.

Die Verschiedenheit des commerziellen Werthes der einzelnen Bahnen geht auch daraus hervor, dass z. B. im Jahre 1897 die Ein­nahmen pro Kilometer Betriebslänge zwischen 833 und 75.654 Gulden ö. W. variirten, und zwar erzielten von den Bahnen (mit Ausnahme der Dampftramways) Einnahmen

unter 2.000 Gulden pro Kilometer 18 Bahnen j unter 15.000 Gulden pro Kilometer 7 Bahnen

» 3.000 » » » 23 » I » 20.000 » » » 6 »

» 5.000 » » > 19 » i > 40.000 » > » 6 »

» 10.000 » » » 8 » i

Eine Bahn (Kaschau-Oderbergerbahn, österreichische Linie) weist eine Einnahme von 42.888 Gulden pro Kilometer und eine Bahn (Aussig-Teplitzerbahn) eine Einnahme von 75.654 Gulden pro Kilometer aus.