Tarife auf dem Staffeltarifsysteme aufgebaut sind, liegt dem deutschen Tarife im Wesentlichen das reine Kilometertarifsystem zu Grunde, und erfolgt auf den deutschen Bahnen erst in den letzten Jahren schrittweise und tastend die Annäherung an das Staffeltarifsystem.

Letzteres System, welches bekanntlich dadurch charakterisirt wird, dass die Einheitssätze für die zurückgelegte Wegeinheit auf weitere Entfernungen sinken, während beim Kilometertarife die Einheitssätze bis auf die weitesten Entfernungen gleich bleiben, muss insbesondere für die Industrie als vortheilhafter bezeichnet werden, da es darnach angethan ist, ungünstige Momente, wie sie in der grösseren Entfernung der Etablissements einerseits von den Productionsstätten der Rohstoffe und Fabri- cationshilfsmittel, andererseits von den Consumorten gelegen sind, zu mildern und daher widrige Productions- und Absatzverhältnisse erfolgreich zu bekämpfen.

Die Verschiedenheit der Systeme hat denn auch zur Folge, dass im Allgemeinen gesagt werden kann, dass die Tarife der Bahnen im Deutschen Reiche auf kurze Entfernungen etwas niedriger, auf weitere Entfernungen dagegen höher sind, als jene der österreichischen Bahnen, namentlich der öster­reichischen Staatsbahnen und der Kaiser Ferdinands-Nordbahn.

Aus dem Gesagten dürfte sonach zur Genüge hervorleuchten, dass die österreichischen Eisenbahnen auch in ihren Gütertarifen und in der Anpassung derselben an die Bedürfnisse von Landwirthschaft, Industrie und Handel nicht hinter den Bahnen anderer Länder zurückgeblieben sind, und dass sie stetig bestrebt waren, der ihnen zufallenden hohen volkswirthschaftlichen Mission gerecht zu werden.

Selbstverständlich obliegt es den österreichischen Staatsbahnen, sich in dieser Richtung an die Spitze der Action zu stellen und auch auf die Privatbahnen vorbildlich Einfluss zu üben. Hiedurch tragen dieselben dem hohen Gedankenfluge Rechnung, welcher dem Eisenbahnwesen überhaupt die Wege gewiesen hat und welcher, wie eingangs angedeutet wurde, die Vortheile des Staatsbetriebes schon damals erkannte, als das Eisenbahnwesen erst zur Entfaltung gelangte.

Wenn im Laufe der Zeit in dem Entwickelungsgange der Tarife der österreichischen Staatsbahnen, welcher im Allgemeinen eine scharf abfallende Tendenz einhielt, auch partielle Rückschläge erfolgten, so wurde auch bei diesen die volkswirtschaftliche Seite der Frage niemals ausser Acht gelassen und nur ein billiger Ausgleich zwischen den Interessen der Verfrächter und jenen des Staatsschatzes gesucht, welche mit Rücksicht auf die grosse und unmittelbare Bedeutung der Staatsbahnen für den gesammten Staatshaushalt auch bei voller Würdigung der mittelbaren Vortheile der Eisenbahnen für die Entwickelung der Volkswirthschaft und die dadurch herbeigeführte Hebung der Steuerkraft niemals ganz ausser Acht gelassen werden dürfen, zumal sich die Vortheile der Staatsbahnen naturgemäss doch nicht gleichmässig auf alle Steuerträger vertheilen können.

Hand in Hand mit den auf die Ausgestaltung des Tarifwesens gerichteten Bestrebungen giengen selbstverständlich auch die Bemühungen, den Güterdienst in technischer Beziehung durch Anpassung der Wagentypen an die Bedürfnisse des Verkehres (Bau von Wagen mit grosser Tragfähigkeit und grossem Laderaum, Beistellung von Specialwagen für bestimmte Transportartikel und Förderung der Anschaffung solcher Wagen durch die Parteien), dann im Interesse der Erhöhung der Raschheit und Regel­mässigkeit des Verkehres durch Einführung directer Güterzugs- und Expressgutbeförderung mit Personen- und Schnellzügen und durch die Einrichtung von Güternebenstellen in abseits der Bahn gelegenen Orten, sowie des Rollfuhrdienstes für die Zu- und Abstreifung der Güter immer mehr und mehr aus zugestalten.

Auch erscheint es angezeigt, hier auf die eifervolle Mitwirkung der österreichischen Regierung an dem Zustandekommen und der Ausgestaltung des Berner internationalen Transportrechtes, sowie an der Vereinheitlichung der Abfertigungsvorschriften zu verweisen, da durch diese Einrichtungen so manche Schwierigkeiten, die sich früher der Abwickelung internationaler Transporte, namentlich auch mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der reglementarischen Bestimmungen in den europäischen Staaten, entgegenstellten, beseitigt werden konnten.

Die Eisenbahnen als Grossconsumenten.

Wenn wir uns nunmehr noch dem eingangs angedeuteten dritten Gesichtspunkte zuwenden, welcher uns die Beziehungen der Eisenbahnen zur Industrie zeigen soll, so können hier nur einige wenige Ziffern angeführt werden, welche die Bedeutung der Eisenbahnen als Grossconsumenten zahlreicher Pro-

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