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fortexistirt. Wir bemerkten bereits, dass der Stefansplatz ehemals ein Friedhof gewesen. Eigentlich ist er es noch, denn unter den Steinen die ihn bedecken, schlafen viele den ewigen Schlaf. Unter dem Stefansplatze beginnen die Katakomben Wien’s, in denen Tausende von Leichen liegen.
Wer eine etwas wirre unruhige Phantasie oder leicht erregbare Nerven besitzt, soll die Katakomben nicht besuchen, denn für ihn dürften die Schrecken der unterirdischen Bäume schlimme Folgen haben. Zwei Eingänge führen in dieselben, der eine von dem sogenannten „deutschen Hause“ in der Singerstrasse, der andere vom Stefansdome selbst. In dem Letzteren ist hinter der Pilgram’schen Kanzel eine schwarze grosse Flügelthür, über welcher eine halb verloschene lateinische Inschrift die Erinnerung an die Verstorbenen wachruft. Diese Thür verschliesst eine Capelle, von der man zu den unterirdischen Hallen gelangt.
Die Katakomben dehnen sich weithin unter der Stadt aus, sie bestehen aus grösseren und kleineren (längen und saalähnlichen Bäumen, die in vier Stockwerken untereinander erbaut sind und mit mehreren Klöstern in Verbindung stehen sollen. In wie fern dies Letztere richtig ist, dürfte sich heute schwer noch constatiren lassen, da die tiefsten Theile der Katakomben stellenweise bereits eingestürzt oder dem Einsturze so nahe sind, dass man dieselben nicht mehr betreten kann. Ein Plan über das (lewirre der verschiedenen (länge etc. existirt nicht, ist vielleicht auch nie vorhanden gewesen; über ihre Ausdehnung kann daher Niemand vollkommen sichere Auskunft geben und ebenso ist der ursprüngliche Zweck ihrer Anlage, sowie ihr Alter nicht mehr nachzuweisen. Wenn wir aber oben bemerkten, diese unterirdischen Käume seien im Stande, die Besucher mit Schrecken zu erfüllen, so ist dies vollständlich buchstäblich zu nehmen, denn dort unten sind die Ueberreste von Tausenden und Abertausenden, die einst oben im Lichte gelebt und gewandelt haben, zu linden. In den dem Erdboden zunächst gelegenen Stockwerken befinden sich die auf dem ehemaligen Stefansfriedhofe ausgegrabenen Gebeine und Särge, in einzelnen