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werden, selbst die grossePummerin so nennt der Volksmund die grösste, im hoben Stefansthurme hängende, 1711 unter Kaiser Josef I. von Johann Ahammer aus eroberten türkischen Geschützen gegossene und 354 Centner schwere Glocke, deren Schwengel allein 19 Centner wiegt kann man unten in den Katakomben keinen Ton davon hören; dort im Reiche des Todes herrscht ewige Grabesstille und tiefe Finsterniss, die bei dem röthlichen Scheine der Fackeln, welche dem Besucher leuchten, erst recht bemerkbar wird. Kommt man aus dieser unterirdischen Nacht endlich wieder herauf an das Tageslicht, in das frische Leben und Treiben, welches gerade am Stefansplatze herrscht, so athmet man unwillkürlich auf und empfindet in dem gewaltigen Contraste naturgemäss das Gefühl wahrer Freude am Dasein.

Die Katakomben "Wiens sind zuweilen mit einem anderen Netze unterirdischer Gänge, welches sich unter ganz Wien und unter den Vorstädten ausbreitet, verwechselt worden, nämlich mit der Canalisirung, die zum Theil ebenfalls sehr alt und soviel ver­zweigt ist, dass selbst die städtische Baubehörde keinen ganz vollständigen Plan derselben besitzt. Die meisten der Canäle sind so geräumig, dass Menschen bequem darin gehen können.

Zuweilen finden auch amtliche Begehungen statt, die schon wiederholt zu höchst interessanten Entdeckungen geführt haben, aber zu den Sehenswürdigkeiten der Kaiserstadt gehören die Canäle trotzdem nicht, es wäre wenigstens ein Zeichen höchst eigenthüm- lichen Geschmackes, wenn ein Fremder sie besuchen wollte. Er- wälmenswerth dürfte indessen sein, dass vor etwa zwei Jahren zwei Gefangene aus dem Wiener Landesgerichte den Weg zur Flucht durch diese Canäle nahmen. Drei Tage und drei Nächte lang irrten sie, ohne Nahrung und ohne auszuruhen darin umher, endlich am Morgen des vierten Tages fanden sie einen Ausgang; der Eine von ihnen stellte sich aber sofort freiwillig dem Gerichte, der Andere that dasselbe nach noch nicht einer Woche; sie wurden ins Gefängniss zurückgeführt durch die Schrecken des Aufent­haltes im unterirdischen Wien.

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