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In voller Kraft stellt dagegen noch Lecher, der Chcfredacteur der altenPresse, ein Talent und ein Charakter, während seine Vorgänger Zang und Dr. 1)reger längst Verwaltnngsräthe geworden und der Journalistik für immer Valet gesagt haben. Michael Etienne, der Freund und College des verstorbenen Max Fried­länder, nimmt eine eigenartige Stellung ein. Er steht den ver­wickelten österreichischen Verhältnissen gänzlich fremd gegenüber, während er die Fragen der auswärtigen Politik in grossartiger und geistreicher Auffassung zu behandeln weiss. Eine frische Kraft ist Dr. Pickert, der von Prag nach Wien iibersiedelte, zugleich Parteiführer der sogenanntenJungen im Reichsrath, gleich schlag­fertig in Wort und Schrift.

, Karl Ho ff mann ist wohl ein zu weiches Gemütli, um ein schneidiger, politischer Schriftsteller zu sein, Theodor Hemsen ist ein Meister des glatten, gefeilten Styls, aber vielleicht gerade desslialb lassen seine Leitartikel die Leser kalt und in M. Sceps scheint allmählig der Börsenmann den talentvollen Journalisten er­drückt zu haben.

Drei Journalisten, von grossem Einfluss auf locale Fragen Wiens sind Dr. Julius Hirsch, Heinrich Beschauer und Schöffel.

Dr. Julius Hirsch ist ein kenntnissreicher, scharf beob­achtender Nationalökonom, der mit unerbittlicher Logik und schneidender Schärfe gegen verrottete wirthschaftliehe Missstände in Wort und Schrift aufgetreten. Ihm verdankt Wien in erster Linie die Ermässigung der Eisenbahntarife, namentlich für Kohlen und Lebensmittel, die Ermässigung der Gaspreise, die Gründung eines Asyls für Obdachlose und schliesslich ist seiner fortgesetzten geschickten Agitation das endliche Zustandekommen der Wiener Weltausstellung besonders zuzuschreiben. Heinrich Beschauer ist eine Autorität in allen Fragen der Gemeindeverwaltung Wieifs, ein energischer Vertreter des Fortschritts im communalen Leben und in neuerer Zeit hat er durch praktische Vorschläge zur Lösung der in Wien herrschenden Wohnungsnot!! bewiesen, dass er ein Mann