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Frau Mitterwurzer ist ein echt französisches Gewächs auf deutschem Boden, sie ist spiritiuell wie eine Marquise de la regence: die frivolen Rollen sind auch ihre Gelungensten.

Frau Hart mann ist sehr lieb, naiv, sie ist so herzig wahr, dass man bei ihr stets an ein Frühlingsliiftehen erinnert wird, welches die mürrischste und starrste Schneekruste zu schmelzen versteht. Fräulein Kratz sehr degagirt naiv. Die Erste ganz Kotzebue'schejeune premiere, die Letztere Benedixsehe Zofe. Fräulein Preclieisen hat viel Talent.

Frau Haitzinger, die heute 73 Jahre zählt, ist als Künstlerin ein Unicum. Geist und Anrnuth haben bei ihr die höchste Stufe der Bildung erreicht und sind ihre Matronen der Natur abgelauschte Gebilde virtuosester Vollendung.

Herr Sonnenthal, der Salonliebhaber par excellence, war in der That einer der elegantesten und blendendsten Darsteller des modernen blasirten Liebhabers. Sein ganzes Wesen war be­deutsam und anmuthig zugleich, kräftig und weihevoll und ein wenig spöttisch alles zur guten Minute. Er schmeichelte und er persiflirte; in den Scenen, wo das Herz zum vollen Ausbruche kam, war er hinreissend in seinem eigenen Hingerissensein.

Herr Hart mann ist sein Rivale geworden, der manche seiner jüngeren Rollen erbte; seine Erscheinung ist von bestechender Eleganz. Aber an Wärme und siegreicher Verve hat er Sonnenthal noch nicht erreicht.

ln die Erbschaft des grossen Joseph Wagn er theilen sich zwei Heldcnspicler: Krastel, der Junge, und Hallen stein, der Markige.

Hallenstein hat ein orgelähnliches Organ und eine statt­liche Bühnenfigur. Er ist ein Naturalist im besten Sinne des Wortes. Das heisst, er gebraucht seine Kraft dazu, die Natur zu kopiren in ihren schönsten Zügen, wo sie ihre edelsten Gefühle in kräftigsten Fugen äussert.

Krastel hingegen ist alles, was man sich träumt: die Jugend, das frische, lodernde Feuer, manchmal der Uebermuth, aber seine Gestaltungen sind immer harmonisch schön.