So erfreulich dieser Aufschwung auch war, so bedeutete derselbe gegenüber der nun folgenden Zeitepochedoch nur einen minimalen Anfang.

Ausser dem aufwärts steigenden Umschwünge, der sich mit Beginn der Sechzigerjahre auf allen wirthschaftlichen Gebieten einstellte und zu lebhafter Thätigkeit anspornte, empfieng die Wiener Bau- thätigkeit einen mächtigen Impuls durch den fürsorglichen Entschluss des Monarchen, womit die Linien­wälle zum Falle kamen, die bisher die Reichshaupt- und Residenzstadt Wien einschnürten und ein gesundes Wachsthum derselben absolut nicht aufkommen Hessen.

Die Cement-Industrie war selbstverständlich an der regen Baulust in Wien, die sich nach und nach auch auf die Provinzen ausdehnte, in grossem Maasse betheiligt. Durch den stetig steigenden Cementconsum waren nicht blos die bestehenden Cementfabriken genöthigt, ihre Production fortgesetzt zu erhöhen, sondern es wurden fast alljährlich auch neue Fabriken ins Leben gerufen. Die Erzeugung von Portland-Cement in anerkannt guter Qualität gelang in Oesterreich zu Ende der Fünfzigerjahre. Es wurden zwar schon vorher nicht zu unterschätzende Anstrengungen auf diesem Gebiete gemacht, welche jedoch qualitativ keine vollständig befriedigenden Resultate ergaben.

Der Niederösterreichische Gewerbe-Verein, der schon seit dem Jahre 1843 allen Bestrebungen unserer Industrie wohlwollend entgegenkam, hat im Mai des eben genannten Jahres das erste Mal die grosse goldene Medaille für die fabriksmässige inländische Erzeugung eines hydraulischen, dem besten englischen ähnlichen Cements ausgeschrieben. Diese, sowie weitere sechsmalige Preisausschreibungen verliefen alle fruchtlos, indem immer nur hydraulische Kalke zum Concurse erschienen. Die letzte Preisausschreibung erfolgte per 3i. December 1861, worauf vier Fabriken mit ihren Fabrikaten in Con- currenz traten.

Die höchst sorgfältigen Prüfungen dieser Fabrikate wurden von einer eigenen Prüfungscom­mission, deren Leiter Herr Inspector v. Salzmann war, vorgenommen und erstreckten sich auf Bie­gung und Zugfestigkeit der reinen und der mit Sand gemischten Cemente bei Erhärtung in Luft wie im Wasser und waren den Parallelversuchen mit der damals besten englischen Marke von Robins & Co. gegenübergestellt.

Die gesammelten Resultate dieser Versuche waren für die österreichische Cement-Industrie höchst erfreuliche, denn dieselben ergaben, dass zwei Fabriken, nämlich jene des Herrn Heinrich Escher in S. Andrea und jene der Herren Kraft & Saullich in Kirchbichl in Tirol einen Portland-Cement erzeugten, der dem besten englischen durchaus ebenbürtig war und diesen in Sandmischung an Festigkeit so­gar noch übertraf, worauf der Niederösterreichische Gewerbe-Verein in seiner Monatsversammlung vom 14. April i863, in Anerkennung des Fortschrittes des heimischen Gewerbefleisses, den vorstehend erwähnten zwei Cementfabrikanten je eine grosse goldene Medaille zuerkannte.

Mit dieser Auszeichnung hatte sich Herr Saullich noch nicht genügen lassen, sondern derselbe wandte sich, um den Bauinteressenten über das Verhalten seines Portland-Cements genauere Daten geben zu können, an das hohe k. k. Staatsministerium mit der Bitte, seinen heimischen Portland-Cement,

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dem Herr Saullich indessen, nach einer Ortsbezeichnung seines Grundbesitzes in Kirchbichl, den Namen «Perlmooser» beigelegt hatte, einer strengen behördlichen Qualitätsprüfung, gegenüber drei englischen Portland-Cement-Marken unterziehen zu wollen.

In Willfahrung dieser Bitte hat das hohe k. k. Staatsministerium zur Vornahme dieser Parallel­versuche mit Erlass vom 19. März 1862 Z. 4782/451, den k. k. Sectionsrath M. Löhr zum Leiter der Prufungscommission, dann den Bauinspector Herrn Joh. v. Michalik, den Ministerial-Oberingenieur und Professor Herrn Georg Rebhann und den Ministerial-Ingenieur Herrn Herrn. Wehrenpfennig zu Commissionsmitgliedern ernannt.

Die ministeriellen Prüfungen währten von Anfang Mai bis 3i. December 1862 und erstreckten sich auf die Eruirung der relativen und absoluten Festigkeit, auf Cohäsion, Abscheerung, Wasserdurch­lässigkeit und Verhalten gegen Hitze und Frost.

Die so weit ausgedehnten und vielseitigen Versuche bilden ein bleibendes Verdienst der hohen Regierung, denn während heute das Prüfungswesen der Industrie-Erzeugnisse zur grossen Bedeutung und Ausbildung- gelangt ist, geschah es unseres Wissens damals zum ersten Male, dass Cemente über-

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