Wie sorrfältigf diese Normen einerseits erwogen, und wie andererseits die meisten Cementfabrikanten

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sich ihrer daraus resultirenden Pflichten bewusst wurden, geht wohl am deutlichsten daraus hervor, dass das Erscheinen der Normen, als längst entbehrter Qualitätsmesser der Cemente, von allen Interessenten freudigst begrüsst wurde. Diese Cementnormen waren sicherlich die Ursache, durch welche die Fabri­kanten gegenseitig angeeifert wurden, ihre Producte auf eine hervorragende Qualitätsstufe zu bringen und dadurch ihrer Industrie jenes Ansehen zu verschaffen, welches sie heute in hohem Maasse geniesst und vom Auslande ganz unabhängig gemacht hat.

Möge diese Errungenschaft als das Aequivalent betrachtet werden, welches die österreichische Cement-Industrie für die ihr zu Theil gewordene Zollbegünstigung zu bieten in der Lage war.

In Anerkennung der Wichtigkeit, welche die sohin geschaffenen Normen für die sichere Beur- theilung der verschiedenen Cementqualitäten, in Hinsicht auf ihre zulässige Inanspruchnahme bei der so verschiedenartigen Verwendung in der Baupraxis haben müssen, wurde über Anregung des Herrn Oberbaurath und Stadtbau-Directors F. Berger von dem Gemeinderathe der Stadt Wien die «städtische Prüfungsanstalt für hydraulische Bindemittel» im Jahre 187g als die erste dieser Institutionen in Oesterreich ins Leben gerufen.

Dieselbe ist dem unter der Leitung des Herrn Baurathes Adolf Wilhelm stehenden Studienbureau des Stadtbauamtes angegliedert und in technischer Beziehung der Führung des Herrn Adolf Greil, Ingenieur des Stadtbauamtes, überantwortet, welcher seinen Aufgaben mit besonderem Eifer und fach­männischem Interesse nachkommt.

In der Zeit des neunzehnjährigen Bestandes dieser städtischen Prüfungsanstalt wurden in der­selben 36oo verschiedene Muster hydraulischer Bindemittel geprüft, woran das erste Jahr mit einer Anzahl von 71, das letzte Jahr (1897) mit über 400 und die über Ansuchen der Parteien stattgefundene amtliche Attestirung mit 406 Prüfungen participirt. Diese Anstalt befasst sich noch ausserdem mit der Untersuchung von Gyps, Stein, Ziegeln u. dgl., so dass die Gesammtzahl aller durchgeführten Prüfungen nahe an 4000 reicht und die Thätigkeit dieser Anstalt hinreichend illustrirt erscheint.

Als weitere hervorragende Prüfungsanstalt ist die «Versuchsanstalt für Bau- und Maschinenmaterial des k. k. Technologischen Gewerbe-Museums in Wien» zu nennen, welche, unter der umsichtigen Direction des Herrn Sections-Chefs Dr. Wilhelm Exner im Mai 1888 zu Stande gekommen ist.

Die Hauptthätigkeit dieser ausgezeichnet geleiteten Anstalt lag ursprünglich in der Prüfung von Maschinenmaterialien, wurde aber über vielseitiges Verlangen im Jahre 1891 auch für die Prüfung von hydraulischen Bindemitteln eingerichtet und mit allen hiezu nöthigen Apparaten, unter denen in erster Reihe die äusserst empfindliche Emery-Presse zu erwähnen ist, ausgerüstet. Seit dieser Zeit werden auch in dieser Anstalt die Cementprüfungen nach den bestehenden Normen auf das Exacteste durch­geführt und über die Resultate amtliche Atteste ausgefertigt. Die Frequenz der Cementmuster-Prüfungen allein hat sich auch hier sehr lebhaft entwickelt; dieselbe begann im ersten Jahre mit 12, stieg dann auf 20 bis 80 und betrug in dem letzten Jahre etwas über 100 Prüfungen, die nahezu alle über Ein­schreiten von Parteien vorgenommen wurden.

Diese Prüfungsanstalt steht unter der Leitung des Herrn Professor B. Kirsch, der in der Aus­führung seiner vielfältigen Obliegenheiten von dem ihm beigegebenen Adjuncten Herrn Carl Berger kräftigst unterstützt wird. Von dem Letzteren erschien in den «Mittheilungen des k. k. Technologischen Gewerbe-Museums in Wien» im Heft Nr. 1, 2 und 3 ex 1897 eine sehr interessante Abhandlung über die Ergebnisse von 95 Cementmustern, welche im Jahre 1896 in dieser Prüfungsanstalt untersucht wurden.

Der Vollständigkeit halber haben wir noch zu erwähnen, dass im Jahre 1894 der Verein der österreichischen Cementfabrikanten gegründet wurde; derselbe hat seinen Sitz in Wien und bezweckt die Förderung und Vertretung aller gemeinschaftlichen Interessen der österreichischen Cement-Industrie. Bis Ende 1897 zählte dieser Verein 21 ordentliche Mitglieder mit 29 Cementfabriken und 49 Stimm- antheilen. Die. jährliche Cementerzeugung von je angemeldeten 1000 Waggons ä 10.00 o kg gibt das Anrecht für eine Stimme in der Generalversammlung.

Ehe wir diese Denkschrift beenden, sei uns noch gestattet, die in derselben ausgewiesene Ent­wicklung der österreichischen Cement-Industrie, namentlich im letzten Decennium, als eine ganz respectable

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